Während die Gefechte teilweise weitergehen, ist die Krise in der Ukraine politisch so gut wie beigelegt: Die Konfliktparteien einigten sich auf Übergangsregierung, Verfassungsänderung und Neuwahl.

Kiew. Die Konfliktparteien in der Ukraine haben sich auf eine Übergangsregierung, eine Verfassungsänderung bis September sowie vorgezogene Präsidentenwahlen spätestens im Dezember geeinigt. Das erfuhr die Nachrichtenagentur dpa in Kiew am Freitag aus ranghohen EU-Delegationskreisen. Der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch hat unterdessen bereits Neuwahlen angekündigt. Außerdem werde das Land zur Verfassung von 2004 zurückkehren, die dem Präsidenten weniger Befugnisse als bisher zubilligt, erklärte der Politiker am Freitag. Zudem werde er den Anstoß zur Bildung einer Regierung der nationalen Einheit geben.

Unterdessen flammte die Gewalt in Kiews trotz der verkündeten Einigung wieder auf. Die Polizei berichtete am Freitag, Regierungsgegner hätten in der Nähe des Maidan das Feuer auf Sicherheitskräfte eröffnet. Die Schüsse seien erwidert worden.

Irritationen löste auch das Eindringen bewaffneter Polizisten in das Parlamentsgebäude während einer Krisensitzung aus. Wenig später verließen die Polizisten nach Oppositionsangaben das Gebäude wieder. Dort kam es während einer Sitzungspause zu Schlägereien zwischen mehreren Abgeordneten. Dadurch verzögerte sich die Debatte über eine Beschränkung der präsidialen Vollmachten.

In der Nacht hatten im erbitterten ukrainischen Machtkampf Vermittler aus EU und Russland nach Angaben des Präsidialamtes in Kiew eine Einigung erzielt. Alle Seiten hätten sich verständigt, am Freitag um 12.00 Uhr Ortszeit (11.00 Uhr MEZ) ein Abkommen über die Beilegung der Krise zu unterzeichnen, teilte die Kanzlei mit.

„Die Verhandlungen über eine Regulierung der politischen Krise im Land unter Teilnahme des ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch, den Oppositionsführern sowie Vertretern der Europäischen Union und Russlands sind beendet“, hieß es in der Mitteilung.

Bei schweren Zusammenstößen waren seit Dienstag nach offiziellen Angaben mindestens 77 Menschen getötet worden, darunter auch mehr als ein Dutzend Sicherheitskräfte. Hunderte wurden verletzt. Unbekannte Scharfschützen schossen gezielt auf Menschen.

Die Gespräche der EU-Delegation mit Janukowitsch und der Opposition in Kiew dauerten fast die gesamte Nacht. Die EU hatte einen Fahrplan vorgeschlagen, der unter anderem die Bildung einer Übergangsregierung innerhalb von zehn Tagen, eine Verfassungsreform sowie vorgezogene Parlaments- und Präsidentschaftswahlen noch in diesem Jahr vorsieht.

Steinmeier sowie seine Kollegen Radoslaw Sikorski (Polen) und Laurent Fabius (Frankreich) führten seit Donnerstag immer wieder Gespräche im streng gesicherten Präsidialamt. In der Nacht schaltete sich auch ein russischer Vermittler ein, der scheidende Menschenrechtsbeauftragte Wladimir Lukin. Für die Opposition nahmen Vitali Klitschko von der Partei Udar (Schlag), Arseni Jazenjuk von der Vaterlandspartei (Batkiwschtschina) der inhaftierten Oppositionsführerin Julia Timoschenko und Oleg Tjagnibok von der rechtspopulistischen Swoboda (Freiheit) teil.

Auf dem zentralen Unabhängigkeitsplatz von Kiew, dem Maidan, war die Lage in der Nacht vergleichsweise ruhig. Augenzeugen berichteten allerdings, Demonstranten rüsteten sich für neue Zusammenstöße mit der Polizei, Reifen brannten. Das ukrainische Parlament hatte am Donnerstagabend ein Ende des staatlichen Anti-Terror-Einsatzes gegen die Regierungsgegner beschlossen und wollte auch am Freitag wieder tagen.

Opposition und Regierung hatten sich gegenseitig für die blutige Eskalation der Lage verantwortlich. Woher die Scharfschützen stammten, war unklar.

Unter dem Eindruck der dramatischen Ereignisse hatten die EU-Außenminister Sanktionen gegen die Verantwortlichen für die Gewalt getroffen. Sie sollen vor allem die Regierung des Landes treffen. Auch die USA drohten mit Zwangsmaßnahmen.