Hamburgs Erster Bürgermeister lässt Kritik an verschärften Polizeikontrollen in Schwerpunktgebieten der jüngsten Ausschreitungen abprallen. Es sei Aufgabe der SPD, für Recht und Ordnung zu stehen.

Hamburg. Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hat seinen harten Kurs in der inneren Sicherheit verteidigt. „Das Instrument hat sich bewährt und wird sich weiter bewähren“, sagte Scholz der „Süddeutschen Zeitung“ (Montagsausgabe) zu den heftig kritisierten Gefahrengebieten, die Hamburgs Polizei in der Stadt ausgerufen hat. „Die Kontrollen haben die Maßnahme bestätigt.“ Schließlich habe die Polizei dabei Schlagwerkzeuge und Feuerwerkskörper gefunden.

Am 4. Januar hatte die Polizei ein Gefahrengebiet ausgerufen, nachdem in den Wochen zuvor Auseinandersetzungen zwischen linken Demonstranten und der Polizei eskaliert waren. In den Gefahrengebieten hat die Polizei die Befugnis, Personen auch ohne konkreten Verdacht nach eigenen Ermessen zu kontrollieren. Solche Gebiete sind eine Besonderheit im Hamburger Polizeirecht. Weder ein Richter noch ein Parlament muss den Gefahrenzonen zustimmen. Am vergangenen Donnerstag verkleinerte die Polizei die Zone deutlich. Sie besteht jetzt aus drei nicht mehr zusammenhängenden Inseln.

Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Polizeigesetzes teilt Scholz nicht. Damit werde „sehr flexibel, souverän und wenig aufgeregt umgegangen“. Auch die Kritik vieler Einwohner an der massiven Polizeipräsenz weist Scholz zurück: „Ganz viele Bewohner sagen das Gegenteil. Sie fühlen sich sicherer.“ Es sei Aufgabe der SPD, für Recht und Ordnung zu stehen. „Leute, die das nicht mögen, finden es eben nicht gut.“

Neue Randale rund um die Reeperbahn

Derweil gehen in der Hansestadt die Proteste auch nach der Verkleinerung des Gefahrengebiets weiter – mal gewalttätig, mal kreativ-friedlich. In der Nacht zum Sonnabend kam es zu neuen Randalen rund um die Reeperbahn. Bei weiteren Auseinandersetzungen will die Polizei die Verkleinerung der Zone notfalls wieder rückgängig machen. In ihr können Bürger verdachtsunabhängig überprüft werden. Die CDU forderte unterdessen eine bessere Ausrüstung der Polizei.

„Ich hoffe, dass die Vernunft siegt und die Gewalttäter innehalten“, sagte Hamburgs Innensenator Michael Neumann (SPD) auf Anfrage. „Ansonsten überprüft die Polizei wie bisher regelmäßig, ob die Ausweisung der Gefahrengebiete weiter erforderlich und ihr Zuschnitt polizeifachlich angemessen ist.“ Neumann deutete auch an, dass das großflächige Gefahrengebiet möglicherweise zu früh reduziert worden sei. „Das ist eine Frage, die man sich wirklich stellen muss“, sagte er dem Sender NDR 90,3 am Sonnabend.

In der Nacht zum Sonnabend waren bei Auseinandersetzungen drei Beamte nach Angaben der Polizei leicht verletzt worden. Unter anderem sei eine Polizistin von einer Flasche getroffen worden. Es gab zwei Festnahmen. Laut Polizei hatten sich etwa 200 Demonstranten versammelt. Die Beamten waren mit einem großen Aufgebot im Einsatz. Auch die Feuerwehr rückte an, um in Brand gesteckte Weihnachtsbäume und Mülltonnen zu löschen. Nach Angaben des „Ermittlungsausschusses“, einer Organisation, die sich bei Demonstrationen im linken Spektrum um Festgenommene kümmert, seien auch zwei Demonstranten schwer verletzt worden. Ein Polizeisprecher sagte, darüber gebe es keine Erkenntnisse. Auch die Feuerwehr konnte dazu keine Angaben machen.

Zuvor hatten am Freitag Hunderte Menschen friedlich mit einer Kissenschlacht demonstriert. Auch am Sonnabend versammelten sich mehrere Hundert Demonstranten zu einem sogenannten Flashmob - Zwischenfälle gab es laut Polizei keine. Mit dabei hatten die Demonstranten Klobürsten, die zum satirischen Protestsymbol gegen das Gefahrengebiet geworden sind. Rund 450 Menschen zogen anschließend durch den Stadtteil St. Pauli. Die Nacht zum Sonntag blieb nach Polizeiangaben friedlich. Für diese Woche haben verschiedene Gruppen zu neuen Demonstrationen aufgerufen.

Scharfe Kritik an Senator Neumann

Die oppositionellen Parteien kritisierten die alleinregierende SPD und Innensenator Neumann zum Teil scharf. „Er hat die politische Lage - auch in der Führung der Behörde – nicht mehr im Griff“, sagte der Vorsitzende der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Dietrich Wersich, am Sonntag. Die Christdemokraten legten einen Katalog mit 15 Forderungen an den Senat vor, wie die Lage der Polizei verändert werden müsse. Dazu zählt eine bessere Schutzausrüstung für Einsätze und die zügige Neubesetzung frei gewordener Stellen. Vertreter von FDP, Linken und Piraten sprachen sich bei einem gemeinsamen Spaziergang durch das Gefahrengebiet gegen die jüngsten Polizeikontrollen aus – zum Teil ausgestattet mit Klobürsten.

Der Verfassungsschutz geht davon aus, dass die Ausschreitungen in Hamburg die gewaltbereite linke Szene über die Grenzen der Hansestadt hinaus mobilisiert haben. Verfassungsschützer erwarten nach einem „Focus“-Bericht weitere Attacken von Linksradikalen. Sorgen macht ihnen die Größe des gewalttätigen „Schwarzen Blocks“ bei der Hamburger Demonstration kurz vor Weihnachten.

Hamburgs Verfassungsschutzchef Manfred Murck sagte, dass dazu Linksextremisten aus ganz Deutschland und dem Ausland angereist seien. Die Lage habe sich noch nicht ganz beruhigt. „Einige wollen natürlich den Kessel am Kochen halten und die Polizei zumindest mit nervigen Aktionen herausfordern.“