Flächen im Hafen sind exklusive Kostbarkeiten. Das zeigt sich im Fall des Unternehmens Buss. Die Hamburger Bürgerschaft entschied, ein vier Jahre altes Geschäft wieder aufzurollen.

Die Debatte war kurz, wenig kontrovers, und bei der Abstimmung am Ende hob die Mehrheit ihre Hand. Mal eben so haben die Abgeordneten der Hamburger Bürgerschaft am vergangenen Donnerstag ein vier Jahre altes Geschäft wieder aufgerollt: Das Parlament forderte den Landesrechnungshof auf, Entschädigungszahlungen der Hafenbehörde HPA (Hamburg Port Authority) an das Umschlagsunternehmen Buss-Gruppe zu prüfen.

Es geht um mehr als 100 Millionen Euro. Es geht aber auch um die Frage, wie kostspielig die Flächenplanung der Stadt im Hafen ist. Das Beispiel Buss ist exemplarisch: 2009 veranlasste die HPA Entschädigungsleistungen an die Unternehmensgruppe, die im Mittleren Freihafen mehrere Umschlagterminals betreibt. Im Gegenzug erhielt die Hafenbehörde ein Sonderkündigungsrecht für diese Flächen, die eigentlich noch für weitere 20 Jahre an Buss vermietet waren.

Die HPA ging damals von einem schnell steigenden Bedarf an weiteren Containerumschlagskapazitäten aus und wollte die Flächen dafür reservieren. Den Kuhwerder Hafen hat Buss bereits im vergangenen Jahr räumen müssen. Seitdem liegt das Gelände brach. Denn der Bedarf hat sich in Hamburg rasant gewandelt. Ein neuer Containerterminal wird im Mittleren Freihafen in diesem Jahrzehnt nicht mehr gebraucht.

Das Geschäft wurde in größter Eile genehmigt, und zwar zu einem Zeitpunkt, als die Schifffahrtskrise bereits voll entbrannt und damit klar war, „dass auf absehbare Zeit weitere Hafenflächen nicht benötigt würden“, sagt der Bürgerschaftsabgeordnete der Linken, Norbert Hackbusch. Auf Antrag der Linksfraktion soll sich das jetzt der Landesrechnungshof anschauen. „Das ist sehr mysteriös.“

HPA zahlte 138 Millionen Euro Entschädigung

Nichts sei mysteriös, meint hingegen der Unternehmenschef der Buss-Gruppe, Johann Killinger. Sein Fall sei auf Basis der geltenden Mietverträge für Hafengrundstücke gelöst worden. Und diese sehen im Falle einer außerordentlichen Kündigung eine Verkehrswertentschädigung vor. Das sei sein gutes Recht. Nun ist Killinger verärgert, dass sein Geschäftsgebaren an den Pranger gestellt wird. Es habe zahlreiche Deals dieser Art in Hamburg gegeben, warum wird seiner jetzt ausgerechnet untersucht?

In der Tat gibt es einige Beispiele von Vereinbarungen, bei denen Pachtkündigungen im Hafen mit Entschädigungszahlungen abgegolten wurden. Und auch die Höhe der Summe ist nicht ungewöhnlich. Als die Kaffeegruppe Neumann für den Bau der neuen Hafencity weichen musste, ging es um einen zweistelligen Millionenbetrag. Und anders als bei Buss konnte die Stadt dem Unternehmen sogar Ersatzflächen anbieten. Für den Bau weiterer Umschlagskapazitäten bei Eurogate, der sogenannten Westerweiterung, mussten gleich zwei Unternehmen weichen, das Dupeg Tank-Terminal und Bominflot.

Für das erste Unternehmen gab es Ersatzfläche, Bominflots angemieteter Grund wurde lediglich verringert. Und dennoch zahlte die Hamburg Port Authority insgesamt 138 Millionen Euro Entschädigung. Sie übernahm zusätzlich die Sanierung des Bodens, zu der vertraglich eigentlich Bominflot selbst verpflichtet war. Und die Stadt gewährte darüber hinaus Abfindungen für steuerliche Nachteile der Unternehmen in den Folgejahren.

Alle diese Geschäfte folgten einem alten Grundsatz, der in Hamburg bisher von niemandem bestritten wurde: Die Flächen bleiben in städtischer Hand, sie werden an die Hafenunternehmen nur verpachtet. Nur so behält die Stadt alle Fäden zur Hafenentwicklung in der eigenen Hand. Und wird die Pacht vorzeitig beendet, dann müssen eben Entschädigungen gezahlt werden. Neben Killinger mussten im Mittleren Freihafen elf weitere Unternehmen weichen, darunter die HHLA, die dort den Unikai betrieb. Von 2008 bis 2012 habe die HPA 488 Millionen Euro für sonstige Aufwendungen ausgegeben, überwiegend für die Freimachung von Flächen. „Da muss man doch Fragen, welchen Ertrag diese Politik gebracht hat“, sagt Thomas-Sönke Kluth von der FDP-Faktion. Nur zur Bevorratung von Flächen sei das Investment zu teuer.

„Es gab keine genauen Erkenntnisse zum Bedarf“

„Unsere Verantwortung ist, aktuelle Marktsituationen zu erkennen und entsprechend zu reagieren“, kontert Wolfgang Hurtienne, Geschäftsführer der HPA. „Dabei ist zu berücksichtigen, dass Hafenplanungen oft einen Realisierungshorizont von zehn Jahren und mehr haben. Eine der wichtigsten und zugleich komplexesten Aufgaben dabei ist die Umstrukturierung von Flächen und Nutzungen im Hafengebiet, da die Konzepte und der Ausgleich mit Betroffenen lange vor der Realisierung stattfinden müssen.“ Die Basis für Planungen würden Prognosen, Fachdiskussionen sowie Markterkundungen und Gutachten bilden, so Hurtienne.

Doch genau das wird von den Linken im Falle des Vertrags mit Buss bezweifelt. Denn die Ergebnisse des Markterkundungsverfahrens habe die HPA erst für 2010 erwartet, also nach Vertragsabschluss mit Buss. „Der Deal wurde genehmigt, ohne dass es genaue Erkenntnisse zum Bedarf und zu prognostizierten Entwicklungen der Hafenwirtschaft gab“, sagt Hackbusch.

Allerdings weiß auch er, dass die Verhandlungen mit Buss über eine vorzeitige Auflösung des Mietvertrags bereits 2002 begonnen haben. Damals verzeichnete der Containerumschlag jährlich zweistellige Wachstumsraten, und der Hafen drohte, an seine Kapazitätsgrenzen zu geraten. Doch dann kam die Finanzkrise und seitdem hat Hamburg ein Problem. Klar ist: Riesige Summen für die Freimachung weiterer Hafenflächen wird die HPA künftig erst einmal nicht ausgeben.