Ob Adjektiv und Verb zusammen- oder getrennt geschrieben werden, ist eine Frage der Bedeutung – ab und zu auch eine des inneren Wertes

PETER SCHMACHTHAGEN

Bei der Schreibung eines Wortes können Sie falschliegen (sich irren). Ein solcher Fehler kann jedem einmal passieren, der sich in dem Labyrinth der deutschen Rechtschreibung verlaufen hat. Einen Arzt müssen Sie deshalb nicht aufsuchen. Etwas anderes ist es jedoch, wenn Sie nachts im Bett falsch liegen (an der falschen Stelle), weil die Nackenrolle verrutscht ist oder Ihr Hund Sie im Schlaf an den Rand der Matratze gestrampelt hat. Dann schmerzt morgens der Rücken.

Um im Zweifelsfall festzustellen, ob etwas falschliegt oder falsch liegt, sollten Sie in den Duden oder den Wahrig schauen. Diese Wörterbücher werden im Hinblick auf die Orthografie nicht falschliegen. Es könnte allerdings sein, dass die Bände falsch liegen, sofern sie nämlich im unaufgeräumten Durcheinander des Schreibtisches an einem ungewohnten Platz untergewühlt worden sind.

Falls in der Spitalerstraße der glutäugige Rumäne auf seiner Geige eine Melodie falsch spielt, beleidigt das unsere Ohren, wenn wir aber beim Pokern im Hinterzimmer oder auch nur beim Skat während des Stiftungsfestes des Kaninchenzüchtervereins falschspielen (betrügen), kann das uns Freundschaften oder sogar die körperliche Unversehrtheit kosten.

Ergibt die Verbindung von Adjektiv und Verb eine neue, als solche anerkannte Gesamtbedeutung, schreibt man zusammen. Bezeichnet das einfache Adjektiv jedoch das Ergebnis der mit dem Verb genannten Tätigkeit, sollte getrennt geschrieben werden. Wenn ich den Freund auf der Bierterrasse freihalte, so halte ich ihn ja nicht frei am ausgestreckten Arm über die Brüstung, sondern bezahle für ihn. Falls ich jedoch nach der sechsten Runde „Lütt un Lütt“ vor Übermut den Stuhl ergreife und ihn frei halte, nämlich aus dem Fenster hinaus, so bekomme ich bestimmt Ärger mit dem Wirt. Da eine Regel bekanntlich erst dann eine richtig deutsche Regel wird, wenn man sie so oder so verstehen und interpretieren kann, darf man in vielen Fällen Getrennt- oder Zusammenschreibung anwenden: kleinschneiden oder klein schneiden, warmmachen oder warm machen, fertigstellen oder fertig stellen bzw. freisprechen (den Angeklagten) oder frei sprechen (ohne Manuskript).

Hier schlummert das Potenzial für manchen Familienstreit oder sogar für eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den gestressten Lehrer, nachdem er Fritzchen eine Fünf im Diktat gegeben hat. Bei fakultativen (der freien Wahl überlassenen) Schreibweisen sollten wir uns an die Empfehlungen halten, die im Rechtschreibduden gelb markiert sind.

Eine Eselsbrücke ist der Hinweis, dass zusammengeschrieben wird, wenn das Adjektiv in den Wortgruppen „Adjektiv und Verb“ und „Adjektiv und Partizip“ weder gesteigert noch erweitert werden kann; getrennt müssen wir jedoch schreiben, wenn das Adjektiv in der gegebenen Verbindung steigerbar oder erweiterbar ist.

Nehmen wir das Verb blaumachen für „schwänzen“. Der Begriff ist arbeitsrechtlich so bedenklich, dass er sich nicht steigern lässt – blauer als blau kann man nicht machen, wenn man der Arbeit fernbleibt. Der Kollege könnte am blauen Montag zwar blauer als am Sonntag sein, aber er kann nur blaumachen oder ins Büro gehen. Das Gleiche gilt für schwarzmalen, selbst wenn einige Mitbürger und Autofahrer unter uns die Zukunft angesichts der Koalitionsverhandlungen mit der CSU noch schwärzer als schwarzmalen. Ein Arzt kann einen Patienten nur krankschreiben (die Arbeitsunfähigkeit bestätigen), aber nicht kränker schreiben.

Ein Wort wird entweder großgeschrieben (mit großem Anfangsbuchstaben) oder kleingeschrieben (mit kleinen Buchstaben) – groß oder klein, dazwischen gibt es nichts. Wir kennen einen Großbuchstaben, aber keinen „Größerbuchstaben“. Also muss an dieser Stelle, anders als vor der Reform, zusammengeschrieben werden. Wenn wir etwas groß schreiben, ergibt sich ein anderer Sinn, sozusagen ein innerer Wert. Wir können unsere Liebe zum Vaterland groß oder größer schreiben, auch die Liebe zum FC St. Pauli (gesteigert) größer schreiben, die Liebe zum HSV sogar (erweitert) sehr groß schreiben. Das gilt für die Schreibweise, für den HSV jedoch nur so lange, bis Lotto King Karl seine Perle im Halse stecken bleibt.