Zu Gaucks Koalitions-Sondierung

Hat unser Staatsoberhaupt nichts zu tun? Traut Joachim Gauck Angela Merkel und Sigmar Gabriel nicht über den Weg? Führt der Bundespräsident jetzt etwa die Koalitionsverhandlungen? Darf er das? Kein Bundeskanzler ohne Bundespräsident. Keine Neuwahl ohne Bundespräsident. Keine Minderheitsregierung ohne Bundespräsident. So steht es im Grundgesetz. Wer, wie Joachim Gauck, am Ende von Koalitionsverhandlungen womöglich eine schwierige Entscheidung treffen muss, tut gut daran, sich vorher mit den Motiven der Beteiligten auseinanderzusetzen. Gaucks Premiere hat auch eine sehr persönliche Note. Wohl keiner seiner Vorgänger hatte überparteilich ein derartiges Ansehen wie dieser Mann. Nun wissen wir nicht, was genau er gestern mit Merkel besprochen hat. Die interessanteste Frage an die Bundeskanzlerin wäre gewesen: Streben Sie eigentlich insgeheim Neuwahlen an, weil Sie dann vielleicht noch stärker werden?

Die SPD bläst sich kräftig auf, um ihre Wahlniederlage in einen Teilsieg umzudeuten. Die Union sucht seit ihrem „historischen Sieg“ nach Spielkameraden (die Spielkameradinnen nicht zu vergessen). Es haben noch nicht einmal Sondierungsgespräche stattgefunden. Es ist deshalb die Frage, ob Bundespräsident Gauck gut beraten war, die Parteivorsitzenden zu „Gesprächen“ zu sich zu bitten. Jetzt schon, in einem Stadium, da die Parteien sich in einem Prozess der Selbstfindung oder des Überlegens befinden, deren Vorsitzende einzubestellen..., gibt der Lage überflüssigerweise einen dramatischen Anstrich.