Pilger aus aller Welt verabschieden das Oberhaupt der katholischen Kirche in den Ruhestand. Und Benedikt XVI. zeigt sich den Menschen zugewandt wie selten zuvor in den acht Jahren seines Pontifikats.

Rom. Die ersten Mönche eilen bereits vor Sonnenaufgang mit langem Pilgerstab durch den Park an der Engelsburg Richtung Petersplatz. Wer einen guten Platz ergattern will, steht an diesem Mittwochmorgen sicherheitshalber besonders früh auf. Die Straßen rund um den Vatikan wurden schon am Vorabend der letzten Generalaudienz mit Papst Benedikt XVI. weiträumig abgesperrt.

Viele deutsche Gläubige saßen am Dienstag bei der Anreise in Bussen wegen in einer Vollsperrung auf der Autobahn nördlich von Rom fest. Nach der Ankunft im Pilgerheim blieb gerade noch Zeit für ein nächtliches Abendessen und wenige Stunden Schlaf, bis es wieder früh morgens in den Bus ging, um vor der Generalaudienz im chronisch dichten Verkehr nicht erneut stecken zu bleiben. Als sie sich dem Petersplatz nähern, sind Mühe und Schlafmangel wie weggeblasen. „Für uns ist das ein großer Tag, wir wollten uns unbedingt von unserem Papst verabschieden“, sagt einer von ihnen. Mit seiner Frau, seiner erst ein Jahr alten Tochter und einer riesigen Bayernfahne steht der Mann mit Schnauzbart wie ein Fels in der Brandung, bis der Papst seine Ansprache an die Pilger auf Deutsch zusammenfasst. Da antwortet er seinem Joseph Ratzinger, indem er begeistert die Fahne schwenkt.

Nicht jeder wusste, dass eine Anmeldung im Internet erforderlich war, um eine der diesmal besonders begehrten Eintrittskarten für die Generalaudienz zu bekommen. „Wir sind kurzentschlossen hergeflogen und versuchen es ohne Karten“, sagt ein Pilger aus Ingolstadt. Ein New Yorker, der mit breitem Lächeln und modischer Brille aus Horn-Imitat eine kleine gelb-weiße Vatikanflagge trägt, gesteht ein, dass er geweint hat, als er vom Rücktritt des Papstes hörte. „Ich komme ein Mal im Jahr nach Rom, um meine geistigen Batterien aufzuladen – und um zu essen“, fügt er lachend hinzu. Er ist Benedikt dankbar, weil er den Traditionalisten die Feier der alten lateinischen Messe erleichtert habe. Sein Nachfolger müsse unbedingt gegen eine Ausweitung von Sterbehilfe und Abtreibung und „unnatürlicher Ehen“ kämpfen, sagt er – und meint damit offenbar gleichgeschlechtliche Partnerschaften.

Papst-Kritik wirkt wie weggewischt

Kritik wegen Benedikts Annäherung an die Traditionalisten der Pius-Bruderschaft sowie Spekulationen über Sex-Skandale und Machtkämpfe im Vatikan als mögliche Gründe für den Papstrücktritt sind an diesem Tag wie weggewischt. Es ist das erste Mal seit sieben Jahrhunderten, dass ein Papst sich von den Gläubigen verabschiedet, weil er sich aus freien Stücken zurückzieht. Wegen des Massenandrangs wurde der letzte große Auftritt des 85-jähirgen Benedikt nach draußen verlegt. Nach einem stürmischen Wahlwochenende, das mit Regen und Schnee viele Italiener vom Urnengang abhielt und dann in einem Patt endete, scheint die Sonne endlich wieder strahlend über die Gläubigen.

Benedikt spricht wie erlöst von der Bürde des Amtes zu den rund hunderttausend Gläubigen. Er fährt am vorletzten Tag im Amt ausnahmsweise im offenen Papamobil über den Petersplatz und tut, was ihm vor acht Jahren am Beginn des Pontifikats noch schwer fiel: Benedikt lässt sich kleine Kinder reichen und küsst sie vorsichtig und ohne die Scheu der ersten Monate. Wer den Papst bei dieser Gelegenheit ein letztes Mal berührt, wird diesen Moment nicht vergessen.

Zum Abschluss seiner Amtszeit dankt Benedikt nicht nur kirchlichen und staatlichen Würdenträgern sondern allen Gläubigen, von deren Liebe er sich getragen fühlte. „Ein herzliches Vergelt's Gott“ gibt er den vielen deutschen Pilgern mit auf den Weg in ein neues Pontifikat, bevor die Traunsteiner Kapelle auf dem Petersplatz die Bayernhymne anstimmt.

Doch zuvor spricht er den Christen in aller Welt Mut zu. Die Kirche könne auch in schweren Zeiten darauf vertrauen, dass Gott das Schiff der Gläubigen nicht untergehen lasse: „Ich habe großes Vertrauen, denn ich weiß, dass das Wahrheitswort des Evangelium die Kraft der Kirche ist.“ Schwere Zeiten in seinem Pontifikat vergleicht er mit Sturm auf dem See von Galiläa: „Aber ich habe immer gewusst, dass Gott mit an Bord ist, dass das Schiff der Kirche nicht mir oder uns gehört sondern ihm und dass er es nicht wird untergehen lassen.“