München. Alle reden vom E-Auto, kaum einer kauft eins. Am Fahrspaß kann es nicht liegen: Stromer lassen an der Ampel selbst Sportwagen stehen.

Heulende Motoren, quietschende Reifen, ein röhrender Auspuff – für manche Autofans gehört das zu einem Sport- oder Geländewagen einfach dazu. E-Autos können da kaum mithalten. „Ein Elektroauto ist fast so etwas wie eine Oase der Ruhe“, sagt Wieland Brúch, bei BMW zuständig für den i3. „Lautlos, aber kraftvoll.“

Wer sich in einen i3 setzt, weiß schnell, was Brúch meint. Nach dem Einschalten hört man als Fahrer erst mal nichts. Kein Röhren, kein Brummen – Stille. Auch wenn der Fuß das Gaspedal runterdrückt, wird es kaum lauter. Zu hören sind nur das Rollen der Reifen auf dem Asphalt und der Fahrtwind. Bei offenem Fenster und gemächlicher Fahrt kann man sogar Vogelgezwitscher hören. Bleibt da der Fahrspaß am Ende auf der Strecke?

„Die Beschleunigung ist unglaublich“, sagt Christian Löer, Marketing-Chef von Jaguar Deutschland, beim Vorstellungstermin für den neuen Jaguar I-Pace. „Die 696 Newtonmeter stehen sofort zur Verfügung“, beschreibt er die Kraftentfaltung des neuen Autos. Nun erwartet man zwar von einem Marketing-Chef nichts anderes als Begeisterung für die Produkte aus dem eigenen Haus.

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    Anfang 2018 nur 54.000 angemeldete E-Autos in Deutschland

    Doch die Beschleunigung des vollelektrischen Jaguars ist in der Tat immens. Wer das Gaspedal durchdrückt, wird sofort kräftig in den Ledersitz gedrückt. Egal, welches E-Auto: An der Ampel lässt man größere Sportwagen durchaus mal stehen.

    Der neue Nissan Leaf zum Beispiel schafft bei einer Leistung von 110 kW/150 PS den Sprint von 0 auf 100 in 8,8 Sekunden. Der Porsche Macan mit Vierzylinder-Verbrennungsmotor und 185 kW/252 PS ist mit 6,7 Sekunden nur wenig schneller. Gegen den I-Pace hätte der Porsche aber keine Chance: Der Jaguar braucht mit 294 kW/400 PS nur 4,8 Sekunden.

    In Elektroautos informieren die Displays – wie hier im Jaguar I-Pace – den Fahrer auch darüber, wohin die Energie fließt. So kann man gut erkennen, wenn sich der Akku durch schnelles Fahren entleert.
    In Elektroautos informieren die Displays – wie hier im Jaguar I-Pace – den Fahrer auch darüber, wohin die Energie fließt. So kann man gut erkennen, wenn sich der Akku durch schnelles Fahren entleert. © dpa-tmn | Florian Schuh

    Der Spaß am Fahren sei auch einer der großen Reize, den Elektroautos ausübten, findet Löer. „Ich bin mit Autos aufgewachsen und hatte große Vorbehalte“, sagt er. Doch die waren weg, als er das erste Mal in einem E-Auto fuhr. „Es war fast so etwas wie Liebe auf den ersten Klick.“

    Den Sound eines V8-Motors vermisst Löer nicht. Dennoch: Bei der breiten Masse ist diese Liebe noch nicht angekommen. Nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamtes in Flensburg lag der Bestand an Elektro-Pkw in Deutschland Anfang 2018 bei knapp 54.000 Fahrzeugen.

    „Range Anxiety“ ist die Angst vor zu geringer Reichweite

    Eine Ursache für die Zurückhaltung sieht Prof. Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen derzeit noch im knappen Angebot der Hersteller. Die Vielfalt der Modelle werde aber schon in wenigen Jahren deutlich größer sein als heute. Zudem dürften auch die gegenüber Verbrennern noch zu hohen Kaufpreise sinken.

    Rollen statt rasen – das ist ein Gefühl, das man als Fahrer von Elektroautos schnell bekommt. Zwar ist der Sprint an der Ampel jederzeit möglich. „Ich muss das aber nicht stets beweisen“, sagt Brúch. Zumal zügige Fahrten am Ladezustand der Batterien zehren.

    Umgekehrt kann man mit vorausschauendem Fahren die Batterie immer auch ein wenig wieder aufladen. Mitunter werden, wie zum Beispiel im i3, für effizientes Fahren auch Sterne verteilt. Je länger man sparsam mit der Energie umgeht, je mehr bekommt man davon. Das spornt an.

    Reichweite ist einer der kritischen Punkte bei der Elektromobilität. Noch herrscht bei den meisten Kunden „Range Anxiety“ – übersetzt etwa „Angst vor zu geringer Reichweite“, erklärt Gareth Dunsmore, Direktor Elektrofahrzeuge bei Nissan Europe. Aus seiner Sicht ist das aber ein vorübergehendes Problem.

    Lade­infrastruktur wird stark ausgebaut

    Denn mit jedem neu entwickelten Elektroauto nimmt auch die Reichweite zu. Der neue Nissan Leaf etwa mit seiner 40-kWh-Batterie kommt im Stadtverkehr nach Angaben des Herstellers inzwischen auf bis zu 415 Kilometer pro Akkuladung. Und Jaguar ­verspricht für den I-Pace sogar bis zu 480 Kilometer.

    Außerdem wird die hiesige Lade­infrastruktur in den kommenden Jahren vermutlich stark ausgebaut werden. „Wenn es bald möglich sein wird, das Auto auch an der Straßenlaterne zu laden, wird das vielen Angst vor Elektromobilen nehmen“, sagt Dunsmore. „Dann können Sie Ihr Fahrzeug aufladen, wenn Sie auf der Arbeit sind oder im Supermarkt einkaufen.“ Zudem wird es neue Schnell-Lader geben.