Christoph Schwennicke und Lars Haider pflegen eine E-Mail-Freundschaft, die wir jeden Sonnabend hier veröffentlichen.
Haider: Lieber Christoph, normalerweise freut sich der Dritte, wenn zwei sich streiten. Im Fall der Ampelkoalition wäre das eigentlich die SPD. Doch wenn man den Umfragen glauben kann, ist die Einzige, die von den Streitereien der Regierung profitiert, die AfD. Und das sollte Habeck, Lindner und Co. zu denken geben, oder?
Schwennicke: Ich traf vor Monaten den früheren Regierungssprecher Ulrich Wilhelm. Kluger Mann. Kein Heißsporn oder Parteiideologe. Er meinte, diese Regierung werde das reguläre Ende der Legislaturperiode nicht erreichen. Ich hielt dagegen: Macht klebt zusammen. Heute denke ich: Wilhelm könnte recht behalten.
Haider: Was waren Wilhelms Argumente für ein vorzeitiges Ende? Strategisch würde es ja denen am meisten schaden, die es verursachen, und das wären, wenn man die Empörung der vergangenen Tage als Maßstab nimmt, die Grünen.
Schwennicke: Im Befund waren wir uns einig: Grün und Gelb, das passt nicht zusammen. Wenn ich mich recht entsinne, hatte er auch Zweifel an den Führungsfähigkeiten von Scholz. Aber da mag ich mich nach all den Wochen täuschen.
Haider: Muss Scholz etwas an seiner Strategie ändern, den Ministerinnen und Ministern möglichst viel Freiraum zu geben? Oder muss Robert Habeck lernen, Enttäuschungen nicht öffentlich zu teilen? Er war ja auch direkt nach dem Ende des Koalitionsausschusses wieder zu Gast bei Markus Lanz, als könne er es gar nicht erwarten, seine Sicht der Dinge mitzuteilen.
Schwennicke: Beides. Und selbst wenn wir als Branche davon profitieren: Viele in dieser Regierung tragen ihr Herz zu sehr auf der Zunge. Das gilt ausdrücklich nicht für den Bundeskanzler. Der könnte eher manchmal lieber ein Wort mehr sagen.
Haider: Was der eine zu wenig sagt, sagt der andere zu viel. Aber in einem Punkt hat Scholz aus meiner Sicht recht: Gefühle haben in der Politik und gerade in der Bundesregierung nichts zu suchen. Erstes scholzsches Gesetz: Wir werden nie hysterisch, wir sind nie beleidigt.
Schwennicke: Ich stimme komplett zu. Gefühlige Politik ist falsch. In der Sache und im Umgang miteinander. Das zu beherzigen ist allerdings richtig sauschwer.
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