Meinung
Gastbeitrag

Berechtigte Kritik benötigt weise gewählte Worte

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Thies Goldberg mit seiner Frau Birgit in Hamburg.

Thies Goldberg mit seiner Frau Birgit in Hamburg.

Foto: Michael Rauhe

Thied Goldberg ist Vorsitzender des Wirtschaftsrats. Er plädiert für eine „Abrüstung der Sprache“ in der Politik.

Hamburg. Oft erkennen politische Entscheidungsträger nicht, welche gravierenden Folgen ihre Entscheidungen für unser Land haben. Dabei steht die Versorgung mit Energie zu wettbewerbsfähigen Preisen zurzeit im Mittelpunkt. Die dramatisch gestiegenen Preise veranlassen immer mehr Betriebe, im Ausland, vor allem in den USA, zu investieren.

Hinzu kommen Technologieentscheidungen, für die Politiker nicht qualifiziert sind, und eine Klimapolitik, die für das Weltklima nichts erreicht, dafür aber unsere wirtschaftliche Stabilität massiv beschädigt. Ein weiteres Problem ist die Erosion des Vertrauens in die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Deshalb sind Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit so wichtig.

Unter dem Eindruck vermeintlicher Alternativlosigkeit wurden in Euro- und Flüchtlingskrise rechtliche Regelungen außer Kraft gesetzt. Das Resultat war die Gründung einer von Sorgen um die Währungsstabilität beherrschten Professorenpartei, die anschließend für eine xenophobe Talfahrt Richtung rechter Abgrund gekapert wurde.

Rechtsbrüche werden heute als Widerstand legitimiert

Der oft politisch motivierte, leichtfertige Umgang mit Recht und Rechtsstaatlichkeit entwickelt sich zum Nachteil unseres Landes als Wirtschaftsstandort. Es heiß zwar: Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht.

Gemeint ist Aufbegehren und Widerstand gegen einen Unrechtsstaat, wie wir ihn mit NS- und SED-Diktatur hatten. Es ist ein Zeichen unglaublicher Hybris, in einem freiheitlichen Rechtsstaat aus einer vermeintlichen moralischen Überlegenheit die Legitimation zum Rechtsbruch herzuleiten.

Wir erleben heute politische Kräfte, die in Regierungen Vereinbarungen treffen, um an anderer Stelle die Unkultur der außerparlamentarischen Opposition zu pflegen und Rechtsbrüche als vermeintlich legitimen Widerstand zu unterstützen. Das erschüttert das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Politik und der Widerstandskraft unserer Institutionen.

Die Wortwahl muss sich ändern, um sich um die Inhalte kümmern zu können

Eine sprachliche Abrüstung wäre hilfreich, damit sich die Kritik von der Frage, wie Meinungen geäußert werden, hinwenden kann zu den Inhalten. Sich um ihre Heimat sorgende pendelnde Kriegsflüchtlinge sind keine Touristen, mit einem antiquierten und unseren gesellschaftlichen Werten entgegenstehenden Männlichkeitsbild fehlsozialisierte Kinder keine Paschas, Straßenkleber keine Terroristen. So wird berechtigte Kritik unnötig durch sprachlichen Exzess kontaminiert, und die Empörung ersetzt die Auseinandersetzung in der Sache.

Es ist gut für unser Land und gut für die Menschen, die sich hier eine neue Existenz aufbauen. Es ist schlecht für diese Menschen und für unser Land, wenn einige kommen, um sich neben unserer Rechtsordnung an unserer Gesellschaft zu bereichern.

Dabei geht es vor allem um Straftaten gegen Leib und Leben, nicht um den Menschen herabwürdigenden Begriff Sozialleistungsmissbrauch. Jeder wird alle Möglichkeiten zur Optimierung ausschöpfen, bei Transferleistungen wie bei Steuern – wie wir selbst. Das Problem ist neben dem gesetzten Rechtsrahmen vor allem der mangelhafte Vollzug des Rechts.

Nicht jeder, der die Migrationspraxis kritisiert, ist politisch rechts

Integration ist eine Verpflichtung unserer Gesellschaft, angefangen bei intensiven Hilfen zum Erwerb von Sprachkompetenz und der Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse. Integration ist aber auch eine Verpflichtung: Es kann aus einem Gastrecht kein Bleiberecht werden, ohne sich eindeutig zu unserer Rechts- und Gesellschaftsordnung zu bekennen und dieses Bekenntnis zu leben.

Darüber müssen wir eine offene Diskussion führen, ohne gleich jeden, der die aktuelle Migrationspraxis kritisiert, diffamierend in eine rechte Ecke zu stellen. Dabei sollten die Kritiker der Kritiker eines vor Augen haben: Das Richtige aus falschen Motiven zu fordern macht das Richtige nicht falsch, und aus guten Motiven heraus das Falsche zu fordern macht das Falsche nicht gut.

Es wäre schlimm, wenn aus Angst um den Staat Kräfte an die Macht kämen, die anschließend Angst vor dem Staat machen – dies gilt nach rechts wie nach links, beides haben wir erlebt. Ein Blick nach Osten mahnt uns zur Vernunft: Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine zeigt die Bedrohung von Frieden und Freiheit. Die gute Nachricht ist, dass unsere stabile Demokratie nicht leicht zu kapern ist.

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