Meinung
Dohnanyi am Freitag

Es droht ein Handelskrieg

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Klaus von Dohnanyi
Hamburgs ehemaliger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi und Matthias Iken, stellvertretender Chefredakteur des Hamburger Abendblatts.

Hamburgs ehemaliger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi und Matthias Iken, stellvertretender Chefredakteur des Hamburger Abendblatts.

Foto: Sven Simon/Andreas Laible / imago/HA

Der Hamburger Altbürgermeister Klaus von Dohnanyi im Gespräch mit Matthias Iken. Heute über die US-Beziehungen.

Hamburg. Matthias Iken: Die USA will mit dem Inflation Reduction Act (IRA) die eigene Wirtschaft ankurbeln, benachteiligt aber Europas Wirtschaft massiv. Fürchten Sie einen Handelskrieg?

Klaus von Dohnanyi: Jeder Staat versucht, in der Krise die eigene private Wirtschaft zu schützen und setzt dafür auch Steuermittel ein. Allerdings dürfen diese dann nach den Regeln der Welthandelsorganisation nicht nur für Produkte ausgegeben werden, die im eigenen Land hergestellt wurden. IRA sieht aber vor, dass zum Beispiel für den Kauf von Elektroautos erhebliche staatliche Subventionen gezahlt werden – aber nur, wenn der Wagen in den USA gebaut wurde! Dasselbe gilt für Batterien. Alles zum Nachteil der Europäer. Ausnahmen gibt es nur für Kanada und Mexiko, die haben Handelsverträge. Ja, es droht ein Handelskrieg mit den USA.

Iken: Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron warnt US-Präsident Joe Biden, Entscheidungen zu treffen, die „den Westen zersplittern“ könnten.

Dohnanyi: IRA ist eine „Kauf in Amerika“-Politik, wie sie von den USA in Krisen regelmäßig praktiziert wird. Also eigentlich nichts Neues; auch Sanktionen verfügen die USA, wenn sie es in ihrem Interesse für sinnvoll halten. Rücksicht auf Partner: Fehlanzeige. Aber welche Gegenmaßnahmen könnte die EU ergreifen? Zölle auf USA-Produkte? Oder wir tun einfach dasselbe, bis uns finanziell die Puste ausgeht? Das alles würde den Westen weiter spalten. Wir müssen in Europa unsere Kräfte bündeln, aber ohne Bevormundung durch die EU. Europa bleibt nur dann wettbewerbsfähig, wenn jeder Mitgliedstaat frei genug ist, für seine Wettbewerbsfähigkeit selber zu sorgen. Wie einst beim Airbus Deutschland und Frankreich vorgemacht haben.

Iken: Zugleich wirken die deutsch-französischen Beziehungen erlahmt. Isoliert sich die Bundesrepublik immer weiter?

Dohnanyi: Unsere „wertebasierte“ Außenpolitik gerät zwangsläufig in Widersprüche: Katar ist nicht gut genug für Fußball, aber gut genug für Gas? China wird menschenrechtlich laut kritisiert, aber der Kanzler fährt mit vielen Unternehmern dorthin. Was will Deutschland? Frankreich braucht Freiraum für Rüstungsexporte, wir zieren uns moralisch, und das stört unsere Zusammenarbeit. Wir verkünden, die militärische Führungsmacht in Europa zu werden, Macron antwortet gegenüber Biden mit der alten „Kampfesbruderschaft“ in zwei großen Kriegen. Außenpolitik ist eine höchst sensible Sache. Sie muss immer die Interessen Anderer kennen und berücksichtigen und verträgt keinen moralischen Hochmut. Ich kann mich nicht erinnern, dass Deutschlands Bedeutung in der EU und im Bündnis so undeutlich war wie heute.

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