Meinung
Dohnanyi am Freitag

Mehr Geduld mit China

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Klaus von Dohnanyi
Hamburgs ehemaliger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi und Matthias Iken, stellvertretender Chefredakteur des Hamburger Abendblatts.

Hamburgs ehemaliger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi und Matthias Iken, stellvertretender Chefredakteur des Hamburger Abendblatts.

Foto: Sven Simon/Andreas Laible / imago/HA

Der Hamburger Altbürgermeister Klaus von Dohnanyi im Gespräch mit Matthias Iken. Heute über die Lage in Fernost.

Hamburg. Matthias Iken: In China kam es aus Kritik an der Zero-Covid-Politik zu den größten Unruhen seit 1989. Was braut sich da zusammen?

Klaus von Dohnanyi: Es ist für unser vergleichsweise kleines Land, das doch über Jahrhunderte rechtsstaatlich und verwaltungsmäßig organisiert wurde, schwer zu beurteilen, wie China heute mit Covid umgehen sollte. Noch vor 100 Jahren war das Land nicht sicher vor Überfällen durch andere Staaten, ein weiteres Jahrhundert zurück war China noch Opfer westlicher Kolonialpolitik. Es ist noch keine 75 Jahre her, dass Chinas heute rund 1,3 Milliarden Menschen zu einer staatlichen Einheit in der Moderne gefunden haben. Mit erstaunlichen Erfolgen, aber eben auch mit Städten, die mehr als 20 Millionen Einwohner haben. Kann es da verwundern, dass es noch kein perfektes Gesundheitssystem oder Möglichkeiten für Kurzarbeit im Gefolge einer „No-Covid“-Politik gibt? Und kann es verwundern, dass die Menschen in dieser Situation unruhig für mehr Schutz demonstrieren? Ich denke, mehr „braut“ sich da gegenwärtig wohl nicht zusammen.

Iken: Was bedeutet das für unsere China-Politik?

Dohnanyi: Vor Kurzem riet ich an dieser Stelle zu Sachkenntnis, Realismus, Geduld und Bescheidenheit im Umgang mit autoritären Systemen. Es steht uns überhaupt nicht zu, den Umgang der chinesischen Regierung mit Covid zu kommentieren. Wir kennen weder die Bedingungen dort (Sachkenntnis) noch Chinas konkrete Möglichkeiten (Realismus). Haben wir denn selbst (Bescheidenheit) trotz des langen rechtsstaatlichen Vorsprungs alles perfekt gemacht? Und dann ist doch bemerkenswert, wie anders die chinesische Regierung heute mit den viel größeren Demonstrationen umgeht als 1989 mit den Studenten auf dem Platz des Himmlischen Friedens. Kein Fortschritt? Also „Geduld“.

Iken: Wie sollte die Wirtschaft reagieren?

Dohnanyi: Covid hat auch in China eine negative Wirkung auf die wirtschaftliche Entwicklung: Lieferketten und Arbeitsanwesenheit sind gestört. Wo sich aus diesem Grund bei uns zu hohe Abhängigkeiten zeigen, sollten wir vorsichtig diversifizieren. Aber die Covid-Folgen in China fallen in eine Zeit, in der die USA, zum Schrecken und Schaden der europä­ischen und deutschen Wirtschaft, den freien Welthandel zerstören, um China machtpolitisch einzugrenzen. Hier wünsche ich mir vonseiten der EU und auch der europäischen Regierungen mutigeres, öffentliches Auftreten gegen diese Politik: Es sind eben keine Freunde, sondern Egoisten, „America First“-Politiker, die in Washington am Ruder sind. Wann wachen wir endlich auf?

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