Christoph Schwennicke und Lars Haider pflegen eine E-Mail-Freundschaft, die wir jeden Sonnabend hier veröffentlichen.
Haider: Lieber Christoph, ich weiß nicht, wie es dir erging, aber ich fand, dass das 1:2 der deutschen Fußballer gegen Japan bei der WM in Katar etwas Symptomatisches hatte. Wir haben uns darauf konzentriert, Punkte in moralischen Fragen zu machen, aber nicht auf dem Platz.
Schwennicke: Soll ich dir etwas verraten? Ich habe mir das Spiel gar nicht angeschaut. Ich bin ohnehin ein Fußballfremdler. Und dieses WM-Turnier ist von vornherein dazu bestimmt, eine Farce zu sein. Aber hilf mir, unabhängig davon, wie absurd es ist, in einem Land wie Katar Fußball zu spielen: Ist Deutschland nicht schon länger als viermaliger Weltmeister nur noch Mittelmaß?
Haider: Ja, und ich frage mich, ob das im Fußball und anderen Bereichen daran liegen könnte, dass wir lieber über andere urteilen, anstatt zu zeigen, dass wir es besser machen können.
Schwennicke: Das ist leider ein Muster, das über den Fußball hinausweist. Moralweltmeister. Alles besser wissen, aber nicht mehr alles besser können. Schwierig.
Haider: Woher kommt das?
Schwennicke: Es ist schwer, eine selbstgefällige, verwöhnte Gesellschaft wieder flottzukriegen. So grauenhaft der Anlass auch ist: Diese Kriegszeiten könnten ein Anlass sein, sich wieder auf die Tugenden zu besinnen, für die dieses Land einmal weltberühmt war. Fleiß und Ehrgeiz – im Wissen darum, dass die Zeiten härter geworden sind. Und dass Wellness gestern war.
Haider: Wobei allein die Erkenntnis, dass der Wohlstand, so wie wir ihn kennen, nicht mehr zu halten sein wird, eine schwierige ist.
Schwennicke: Aber es ist nun einmal die Realität.
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