Wenn der eine Koalitionspartner über „handwerkliche Fehler“ spricht, und der andere mahnt, dass in der Politik nicht nur „schöne Worte“ zählen, dann weiß Robert Habeck, dass die angenehmen Zeiten für ihn vorbei sind. Der Bundeswirtschaftsminister hat in den vergangenen Monaten mit einem Kommunikationsstil gepunktet, den der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil jetzt als „interessant“ bezeichnet, der objektiv bei vielen Menschen aber deutlich besser ankommt als der des Kanzlers. Habeck beherrscht es wie kein anderer Politiker hierzulande, den Bürgern das Gefühl zu geben, ihm beim Denken zuhören zu können, er liefert Zweifel, wo man früher klare Ansagen erwartet hätte. Das hat ihn zu dem Mann gemacht, dessen Name am häufigsten genannt wird, wenn Institute fragen, wen die Deutschen derzeit zum Kanzler wählen würden.
Robert Habeck hat einen neuen Ton in der Politik geprägt
Habeck hat einen neuen Ton in der Politik geprägt, in dem man von Wählern auch mal als „Alter“ sprechen darf, und der eine Abkehr von jenem politischen Kommunikationsstil ist, den Olaf Scholz von Angela Merkel übernommen hat. Dass der verfängt, muss für die SPD ein Ärgernis sein, auch, weil sie weiß, dass Habeck alles versuchen wird, um bei der Bundestagswahl 2025 als grüner Kanzlerkandidat gegen Scholz anzutreten. Da kommt es ganz gelegen, dass nicht alles so schön ist, wie es sich beim Wirtschaftsminister anhört.
Die Gasumlage etwa hat die Tücke, dass von ihr auch Firmen profitieren, die zusätzliches Geld nicht benötigen. Deswegen wird sie wohl nicht so kommen, wie Habeck sie geplant hat. Auch sonst muss er sich Kritik gefallen lassen für das, was er über den herannahenden Winter gesagt hat. Habeck hat ausführlich und umfänglich vor all dem gewarnt, was in der kalten Jahreszeit angesichts unsicherer Gaslieferungen aus Russland mit der deutschen Wirtschaft und den Temperaturen in deutschen Wohnzimmern passieren kann. Seine Worte verfehlten ihre Wirkung nicht, besorgte Bürger schafften allein mehr als 600.000 Heizlüfter an, die, würden sie alle betrieben, eine echte Herausforderung für die Stromnetze darstellen könnten.
Man fragt sich, ob es der Minister mit seinen Voraussagen nicht übertrieben hat
Man kann als Politiker vor Krisen warnen, man kann sie aber auch herbeireden. Der Grat dazwischen ist schmal, und Habeck ist, genau wie die grüne Außenministerin Annalena Baerbock, zu oft auf der falschen Seite unterwegs gewesen. Das hat zu einer Stimmung geführt, die sich mit Sicherheit nicht beruhigend auf die Entwicklung der Gaspreise ausgewirkt hat. Zwischenzeitlich musste man als Bürger Angst haben, dass die Gasspeicher zum Beginn des Winters nur zu zwei Drittel gefüllt sein könnten, wenn überhaupt. Nun ist immer noch Sommer, der Füllstand liegt aber bei fast 83 Prozent, und man fragt sich, ob es der Minister mit seinen Voraussagen nicht übertrieben hat – oder ob er, was noch schlimmer wäre, die Lage einfach nicht einschätzen konnte.
Habeck mag das gemacht haben, um sich später nicht vorwerfen lassen zu müssen, zu spät vor den möglichen Folgen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine gewarnt zu haben. Aber die Töne und Maßnahmen der jüngeren Vergangenheit wirken angesichts der genannten Zahlen zumindest alarmistisch. Anscheinend ist nicht zu befürchten, dass das Gas knapp wird, es wird nur unglaublich teuer, und daran ist die Aufgeregtheit, mit der über das Thema in Deutschland gesprochen wurde und wird, vielleicht auch Schuld. Habeck muss sich den Vorwurf gefallen lassen, zu viel getan zu haben, was Olaf Scholz definitiv zu wenig getan hat – nämlich zu viel und ausufernd kommuniziert zu haben.
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