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Mini-Olympia? Maxi-EM – die wunderbare Alternative

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Björn Jensen ist Chefreporter in der Sportredaktion.

Björn Jensen ist Chefreporter in der Sportredaktion.

Foto: Andreas Laible

Warum die European Championships, die aktuell in München stattfinden, als eigenständiges Event wichtig sind.

Noch sind drei Wettkampftage zu absolvieren, eins jedoch lässt sich als vorweggenommenes Fazit der European Championships in München schon jetzt konstatieren: Die Multisport-Europameisterschaften, die kontinentale Titelkämpfe in neun Sportarten vereinen, sind eine Idee mit Zukunft. Schon 2018 hatte die erste Austragung mit sechs Sportarten in Glasgow und der Leichtathletik in Berlin unerwartete Erfolge beim Publikum vor Ort und den TV-Zuschauern gefeiert. In der bayerischen Landeshauptstadt nun setzt sich diese Begeisterung vier Jahre später nahtlos fort.

Die öffentlich-rechtlichen Sender, die im täglichen Wechsel von früh bis spät live übertragen, freuen sich über starke Einschaltquoten. Die Atmosphäre in den Stadien und innerstädtischen Arenen, die in der überwiegenden Mehrheit sehr gut besucht sind, ist beeindruckend, die Organisation gelungen und dabei in sympathischer Weise unverkrampft. Auch die deutschen Sportler zeigen sich mehrheitlich in angemessener Heim-EM-Form. Und doch gibt es eine Sache, die stört: der ständige Vergleich mit den Olympischen Spielen.

European Championships als Mini-Olympia? Eben nicht!

„Mini-Olympia“ – dieses Namensschild wurde den Münchner Festspielen schon lange vor dem ersten Startschuss umgehängt. Und nun versuchen sich viele darin zu überbieten, eine neue deutsche Bewerbung für Sommerspiele einzufordern. Natürlich: Dass die European Championships 50 Jahre nach der letzten Austragung Olympischer Spiele in Deutschland an selber Stelle im altehrwürdigen Olympiapark stattfinden, weckt Erinnerungen und Assoziationen. Und wenn man weiß, dass in München mehr Aktive in mehr Medaillenentscheidungen starten als bei den Winterspielen in Peking zu Beginn dieses Jahres, werden die Dimensionen dieser zwölf Tage deutlich.

Dennoch hat der Erfolg von München 2022 in erheblichem Maß damit zu tun, dass das verruchte Internationale Olympischen Komitee (IOC) eben nicht seine langen Schatten über den strahlenden Sportsommer wirft. Es gibt keine aus dem Kostenruder gelaufenen Neubauten, sondern eine nachhaltige Nutzung von Sportstätten wie der Regattastrecke Oberschleißheim, die in der IOC-Glanzwelt kaum die Chance auf Zulassung bekommen hätte. Die Autofahrenden stehen nicht im Stau, weil eben keine großkopferten Funktionäre auf eine eigene EM-Fahrbahn bestehen. Kurzum: Auch wenn die 130 Millionen Euro, die Bund, Land und Stadt für die Multisport-EM aufwenden, kein Kleingeld sind, ist vom Gigantismus der fünf Ringe in München nichts zu spüren.

Olympia in Deutschland geht erst wieder, wenn das IOC sich seiner Wurzeln besinnt

Es wäre deshalb wichtig, wenn die European Championships genau das bleiben dürften, was sie sind: Wettkämpfe der besten europäischen Sportlerinnen und Sportler, die sich an einem Ort treffen und gemeinsam mit den Fans feiern, beste Unterhaltung bieten und bestehende Wettkampfstätten wiederbeleben. Natürlich wäre es schön, wenn Deutschland in nicht allzu ferner Zukunft wieder den Mut fassen würde, sich um Olympische Spiele zu bewerben. Aber das wird erst funktionieren, wenn das IOC endlich seine Vergabekriterien ernsthaft revolutioniert und zu den Wurzeln der olympischen Idee zurückkehrt, die den Sport in den Mittelpunkt stellt und nicht den Kommerz.

Egal ob Berlin ins Rennen gehen will, ob München oder die Rhein-Ruhr-Region: Ohne die mehrheitliche Zustimmung der Bevölkerung wird es keine deutsche Bewerbung mehr geben. Um diese zu gewinnen, braucht es Veranstaltungen wie die European Championships, die den Menschen hierzulande nahebringen, wie vielfältig der Leistungssport sein kann, welche Begeisterung er auslösen, wie er die Bevölkerung zu mehr Bewegung animieren und die Lust auf Leistung wecken kann. Und wenn all das dann trotzdem nicht reicht, weil Olympische Spiele in ihrer aktuellen Form in Deutschland nicht vermittelbar sind? Dann sollte man sich umso mehr freuen, dass die European Championships eine wunderbare Alternative zum Ringe-Spektakel sind. Eben kein „Mini-Olympia“, sondern eine „Maxi-EM“, die alles bietet, was modernen Leistungssport attraktiv macht.

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