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Chinas Störmanöver schüren Unruhe an den Börsen

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Heike Göbel
Heike Göbel ist Redakteurin für Wirtschaftspolitik bei der  „Frankfurter  Allgemeinen Zeitung“.

Heike Göbel ist Redakteurin für Wirtschaftspolitik bei der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.

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Im Taiwan-Konflikt steht viel auf dem Spiel: Auch Deutschland sollte sich nicht nur auf Krieg gegen die Ukraine konzentrieren.

Hamburg. Mit ihrem Besuch in Taiwan hat die US- Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi die Aufmerksamkeit der Welt auf einen bedrängten Staat gelenkt, der nach dem Willen Chinas gar keiner sein soll. Die kommunistischen Herrscher in Peking betrachten die seit 1949 unabhängige demokratische Insel als Teil Chinas. Jedes Zeichen einer Anerkennung der Eigenstaatlichkeit durch andere Länder ahnden sie mit Drohungen und Sanktionen. Auch Deutschland erkennt die Republik Taiwan daher nicht als souveränen Staat an und schickt keine ranghohen Politiker.

Als Antwort auf die Reise der Sprecherin des US-Repräsentantenhauses blockiert China seither mit See- und Luftmanövern Seegebiete, die Taiwan beansprucht. Das schürt Unruhe an den Börsen, denn Pelosis mutiges Zeichen der Unterstützung des Freiheitsstrebens der Taiwaner erhöht das Risiko einer Konfrontation zwischen USA und China. Zwar hatte Präsident Biden sich von Pelosis Besuch distanziert, aber zuletzt selbst mehrfach gewarnt, dass die USA einen chinesischen Überfall auf Taiwan nicht hinnehmen würden.

Präsident Xi steht unter Druck

Der Inselstaat mit 23 Millionen Bewohnern ist nicht nur als demokratischer Anker für den Westen wichtig. Aus Taiwan kommen zwei Drittel der weltweiten Halbleiterproduktion. Sollte Chinas Regierung Taiwan angreifen, hätte das wirtschaftlich viel größere Konsequenzen als der russische Krieg gegen die Ukraine. Allerdings ist auch China selbst sehr abhängig von Taiwans Chips und könnte sie nicht schnell ersetzen.

Viele Beobachter werten Chinas Abhängigkeit von Taiwans Produzenten daher als Garantie, dass Präsident Xi den Konflikt nicht – wie Russlands Präsident Putin in der Ukraine – eskalieren lassen wird. Doch Xi steht unter Druck. Chinas Wirtschaft leidet unter seinem blinden Festhalten an einer Null-Covid-Strategie mit häufigen Lockdowns, die immer wieder Millionenmetropolen lahmlegen. Die Wirtschaftsschwäche kommt zur Unzeit, da sich Xi im Herbst auf dem Parteitag zum dritten Mal die Macht sichern will. Es könnte ihm nützlich sein, eine nationalistische Stimmung zu befeuern.

Konflikt sollte auch in Deutschland beachtet werden

Die Lage ist also brisant genug, um auch in Deutschland breiter beachtet zu werden. Unmittelbar mag Russlands Krieg in der Ukraine bedrohlicher wirken, weil eine nicht mehr sichere Energieversorgung vermeintlich schneller in den Alltag einschneidet als fehlende Halbleiter. Allerdings gilt: Energie ist kein Hightech-Gut, es ist relativ einfach zu ersetzen. Am Nachschub an Hochleistungschips hängt der heute existenzielle Datenstrom.

Der Westen steckt in der Zwickmühle. Vom freien, arbeitsteiligen Handel mit Taiwan profitieren alle Beteiligten ökonomisch, zugleich stärkt der Handel ein Bollwerk der Demokratie. Aber es wäre blauäugig, wenn Deutschland, die EU und die USA sich nicht wappneten für den Fall, dass China nach Hongkongs auch Taiwans Freiheit zerstört.

Wirtschaftsbeziehungen zu China könnten Schaden nehmen

Als Antwort setzen die EU und die USA auf einen industriepolitisch motivierten Subventionswettlauf. Mit hohen Milliardenbeträgen soll der Aufbau eigener Chipstandorte gefördert werden. Wie gut angelegt die Fördermilliarden sind, wird man erst in einigen Jahren wissen. Aller Erfahrung nach geht der Versuch planwirtschaftlicher staatlicher Industrielenkung mit großer Verschwendung einher.

Solches Autarkiestreben macht Produkte teurer, weil es Vorteile der internationalen Arbeitsteilung und Spezialisierung aufgibt. Doch Autarkiestreben birgt noch eine größere Gefahr: Die Lockerung der Wirtschaftsbeziehungen zu China und anderen menschenverachtenden Autokratien wird es erschweren, sie für gemeinsame Ziele zu gewinnen. Klimaschutz, zum Beispiel, wird ohne China misslingen. Im Taiwankonflikt steht also mehr auf dem Spiel als mancher meint.

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