Meinung
Gastbeitrag

Strengerer Klimaschutz ja! Aber nicht so

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Lüder Gerken
Lüder Gerken ist Vorsitzender  des Stiftungsrates der Stiftung  Ordnungspolitik und des Centrums für Europäische Politik in Freiburg.

Lüder Gerken ist Vorsitzender des Stiftungsrates der Stiftung Ordnungspolitik und des Centrums für Europäische Politik in Freiburg.

EU schreibt vor, dass die CO2-Emissionen deutlich gesenkt werden müssen. Nicht nachvollziehbar ist die „Effort Sharing“-Verordnung.

Die Klimaschutzpolitik der EU betrifft nahezu die gesamte Volkswirtschaft. Selbst Populisten bestreiten heute nicht mehr zwei fundamentale Fakten: Erstens verursachen die Maßnahmen zur Reduktion von CO2-Emissionen immense Kosten. Zweitens ist der Emissionsrechtehandel sowohl das klimapolitisch effektivste als auch das kostengünstigste – also am wenigsten wohlstandsreduzierende – Instrument, das es gibt.

Für viele Sektoren der Volkswirtschaft, vor allem große Teile der Industrie, wurde er denn auch eingeführt. Für andere wesentliche Bereiche – die etwa 60 Prozent der EU-weiten CO2-Emissionen verursachen – ließ er sich aber in der Vergangenheit nicht durchsetzen. Dazu zählen der Straßenverkehr, die Gebäudebeheizung und die Landwirtschaft. Für sie beschloss die EU 2018 die „Effort Sharing“-Verordnung, auf Klardeutsch: Lastenteilungs­gesetz.

Für den Klimaschutz spielt es keine Rolle, in welchem Land CO emittiert wird

Sie schreibt vor, dass in diesen Bereichen die CO2-Emissionen bis 2030 EU-weit um 30 Prozent gegenüber 2005 gesenkt werden müssen. Die Mitgliedstaaten haben in unterschiedlichem Umfang dazu beizutragen. Alle Staaten müssen ihre Emissionen Jahr für Jahr linear so reduzieren, dass sie 2030 bei ihrem jeweiligen Zielwert ankommen. Mitgliedstaaten, die ihre Reduktionsvorgabe in einem oder mehreren Jahren verfehlen, können zusätzliche Berechtigungen von anderen Mitgliedstaaten kaufen. Das ist sehr sinnvoll. Denn für den Klimaschutz spielt es absolut keine Rolle, in welchem Land CO2 emittiert wird.

Wenn die Kosten für die CO2-Reduktion etwa in Griechenland überdurchschnittlich niedrig und in Deutschland überdurchschnittlich hoch sind, dann gebietet das Ziel einer EU-weiten Minimierung der Klimaschutzkosten, dass in Griechenland mehr und in Deutschland weniger reduziert wird. Griechenland hat einen Anreiz, mehr als vorgeschrieben einzusparen, denn es kann von Einnahmen aus Deutschland profitieren; Deutschland kann seine volkswirtschaftlichen Anpassungskosten reduzieren. Vor diesem Hintergrund ist es nicht nachvollziehbar, dass die „Effort Sharing“-Verordnung die Übertragungsmöglichkeiten bis 2025 auf fünf Prozent und 2026 bis 2030 auf zehn Prozent der jährlichen Emissionsberechtigungen beschränkt.

Im vergangenen Jahr hat die EU in ihrem Europäischen Klimagesetz nochmals eine drastische Verschärfung ihrer Klimapolitik beschlossen. Damit das gelingt, soll auch die „Effort Sharing“-Verordnung weiter verschärft werden. Der Gesetzentwurf der EU-Kommission, über den gerade verhandelt wird, sieht vor, dass die CO2-Emissionen in den betroffenen Bereichen bis 2030 EU-weit statt um 30 Prozent um 40 Prozent zu senken sind und entsprechend die Vorgaben für die einzelnen Mitgliedstaaten erhöht werden.

Der Gesetzentwurf sieht aber keine Änderung bei den zwischenstaatlichen Übertragungsmöglichkeiten von fünf Prozent bis 2025 und zehn Prozent 2026 bis 2030 vor. Daran stößt sich das Europäische Parlament. Es fordert, dass auch 2026 bis 2030 nur noch fünf Prozent übertragen werden dürfen. Ist dies volkswirtschaftliche Unkenntnis oder Populismus, mit dem die Abgeordneten bei der klimabewegten Bevölkerung den Anschein erwecken wollen, man tue noch mehr als die Kommission für das Klima? Die Forderung schmälert den Anreiz der Mitgliedstaaten, mehr CO2 als vorgeschrieben einzusparen, und treibt die ohnehin schon sehr hohen Klimaschutzkosten unnötigerweise noch weiter hoch.

Der Rat, in dem die Mitgliedstaaten vertreten sind, fährt genau den entgegengesetzten Kurs. Er will die Übertragungsmöglichkeiten bis 2025 auf zehn Prozent und von 2026 bis 2030 auf 20 Prozent erhöhen. Das ist sachgerecht: Es hat auf die EU-weite Reduktionsvorgabe von 40 Prozent keine Auswirkungen, erleichtert es aber den Volkswirtschaften, diese zu stemmen.

Parlament und Rat müssen die Reform gemeinsam verabschieden, sich also einigen. Es ist zu hoffen, dass sich die Position des Rates möglichst weit durchsetzt. Aber vermutlich wird es am Ende allenfalls darauf hinauslaufen, dass der Vorschlag der Kommission Bestand hat. Dann wird wieder einmal unnötigerweise eine Chance vertan, Klimaschutz möglichst wenig auf Kosten des Wohlstands zu betreiben.

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