Washington. Kennen Sie Doug Mastriano? Wenn nicht, empfehle ich, den kahlköpfigen Mann aus New Jersey mindestens bis zum Herbst im Auge zu behalten. Er könnte in zwei Jahren die nächste Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten von Amerika mitentscheiden. Zugunsten von Donald Trump. Oder einem seiner Nachahmer.
Dazu müsste Mastriano bei den Wahlen am 8. November Gouverneur von Pennsylvania werden. Die Chance ist da. Die republikanischen Wähler/-innen in einem der wichtigsten Swing-Bundesstaaten, wo mal Demokraten, mal Republikaner vorn liegen, haben den schneidigen Ex-Militär, der lange in Nürnberg und Heidelberg stationiert war, eindrucksvoll auf die Rampe geschoben.
Mastriano könnte Macht erlangen
Bei den Vorwahlen deklassierte der bekennende Corona-Leugner, Abtreibungsgegner und Freund von homophoben wie islamophoben Kommentaren die interne Konkurrenz. Sehr zur Freude von Trump, der ihm kurz zuvor seinen Segen gegeben hatte.
Kann Mastriano den Erfolg in der regulären Wahl wiederholen, bekäme er ein machtvolles Instrument an die Hand, um in Pennsylvania 2024 das Zünglein an der Waage zu spielen, sollte es zwischen Pittsburgh und Philadelphia wie schon 2016 und 2020 knapp werden.
Trump behauptet, Bidens Sieg sei manipuliert
Beim ersten Mal hatte Donald Trump hier mit 40.000 Stimmen Vorsprung die Nase vorn vor Hillary Clinton. Beim zweiten Mal lag der Demokrat Joe Biden 80.000 Stimmen vor Trump. Bis heute behauptet Trump ohne juristischen Widerhall, Bidens Sieg sei perfide manipuliert gewesen. Einer seiner lautstärksten Unterstützer dabei: Doug Mastriano.
Als Trump im Januar 2021 seine Anhänger indirekt dazu aufrief, das Kapitol in Washington zu stürmen und die Beglaubigung des Biden-Wahlsieges zu verhindern, war Mastriano im Pulk der marodierenden Krakeeler. Vorher hatte er im Landesparlament in Harrisburg den Antrag gestellt, Trump zum Sieger zu erklären. Vergebens.
Mastriano machte bereits Andeutungen
Würde er Gouverneur und damit Quasi-Ministerpräsident, kann der den Verschwörungstheorien des QAnon-Kults nahestehende Populist den obersten Wahlbeamten bestimmen, den „secretary of state“. Und dafür Sorge tragen, dass nur eine ihm genehme Liste von Wahlmännern und -frauen für das „electoral college“ nach Washington geschickt wird, das letztlich auf Basis des Volksvotums den neuen Präsidenten wählt. Mastriano hat bereits angedeutet, dass es unter ihm nur einen Wahlsieger geben würde: Donald Trump.
Entsprechend voll des Lobes war der zurzeit bei den republikanischen Vorwahlen als Königsmacher agierende Ex-Präsident, dass Mastriano, der kaum politische Erfahrung hat, das Rennen in Pennsylvania für sich entschied.
Mastriano müsste sich bis November geschmeidiger geben
Um dort (ungeachtet des tatsächlichen Wahlverhaltens) 2024 einen Sieg einzufahren, benötigt Trump Leute, die für ihn die Drecksarbeit machen. Darum platziert er, wo immer möglich, im Kandidaten-Kampf willfährige Demokratie-Verächter. Mastriano ist der Prototyp. Fragt sich nur, ob eine Mehrheit der Wahlbürger Pennsylvanias mit ihrer Demokraten-Hochburg Philadelphia so einen Mann an die Hebel der Macht lässt. Mit Josh Shapiro, zurzeit Justizminister, steht ihm ein bis in konservative Kreise anerkannter Demokrat gegenüber.
Mastriano, der im Wahlkampf den Querdenker vom Dienst gab, müsste sich bis November um einiges geschmeidiger geben, wenn er die gemäßigten Vorstadt-Wähler und -Wählerinnen nicht auf die Zinne bringen will. Kann er das? Will er das überhaupt? Skeptiker verweisen auf den morgigen Dienstag. Dann wird, beäugt von überall in den USA, im Südstaat Georgia vorgewählt. Hier hat Trump mit geradezu krimineller Energie versucht, seine dortige Wahlniederlage 2020 gegen Biden nachträglich korrigieren zu lassen.
Trump hat radikalen Gegenkandidaten aufgebaut
Trump bettelte bei Gouverneur Brian Kemp, eigentlich ein strammer Trumpianer, und dessen Wahlleiter Brad Raffensberger darum, irgendwoher rund 12.000 Stimmen zu organisieren – wohlgemerkt: nach der Wahl. Weil sich Kemp hartnäckig widersetzte, hat Trump in David Perdue einen radikalen Gegenkandidaten aufgebaut. Zum Verdruss des Partei-Establishments, wo Leute wie Ex-Präsident Bush und Trumps Ex-Vizepräsident Mike Pence demonstrativ Kemp die Stange halten.
Scheitern sie, fällt Kemp am Dienstag durch, bekommen die Radikalen in der republikanischen Partei Oberwasser. Dann wird Pennsylvania Doug Mastriano in dessen Lieblingsrolle erleben: als Extremist, der die Demokratie aus den Angeln heben will.
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