Christoph Schwennicke und Lars Haider pflegen eine E-Mail-Freundschaft, die wir jeden Sonnabend veröffentlichen.

Haider: Lieber Christoph, der Druck auf Deutschland, auf Öl und/oder Gas und/oder Kohle aus Russland zu verzichten, wächst. Doch sowohl Kanzler als auch Wirtschaftsminister sind dagegen, und ich glaube, sie haben recht. Erstens könnte man solche Sanktionen wohl nicht lange aufrechterhalten, zweitens hätten sie keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Krieg, und drittens muss man aufpassen, im wahrsten Sinne des Wortes nicht die letzten Verbindungen nach Moskau zu kappen. Was meinst du?
Schwennicke: Ich bin da offener. Natürlich hätte das unmittelbar Auswirkungen auf Russland und damit auf den Krieg. Russland hat sonst nichts, was es verkaufen kann. Aber klar, das hätte enorme Folgen für unsere Energieversorgung, die wie sonst keine am russischen Hahn hängt. Es würde kalt in Deutschland.
Haider: Donald Trump hat 2018 gewarnt, dass Deutschland sich abhängig von russischer Energie macht und dies gravierende Folgen haben könne. Wenn der das erkannt hat, warum hat das bei uns kein Mitglied der Regierung gesehen?
Schwennicke: Gerhard Schröder hat für diese unselige Abhängigkeit den Grundstein gelegt. Und Angela Merkel hat nichts daran geändert. Sondern sie verstärkt. Wie sich überhaupt schonungslos und schneller, als ich gedacht hätte, die schlechte Bilanz der letzten anderthalb Jahrzehnte deutscher Politik erweist.
Haider: Wenn man es rückblickend betrachtet, war das, was Deutschland im Verhältnis zu Russland gemacht hat,
keine Real-, sondern eine Wird-schon-irgendwie-gut-gehen-Politik.
Schwennicke: Es war die Zeit, als Putin als Ehrengast eine Rede im Bundestag halten durfte. Russland war auf dem denkbaren Weg zu einem Nato-Beitritt. So dachte man. Nicht nur Schröder hat sich von Putin einseifen lassen.
Haider: Und zu dem radikalen Kurswechsel, den die Ampel-Regierung jetzt eingeleitet hat, gibt es keine Alternative?
Schwennicke: Das ist alles Hauruck. Aber es geht nicht anders. Unter diesen Vorzeichen gehen mit einmal unvorstellbare Dinge. 100 Milliarden mehr für die Bundeswehr: undenkbar bis vor zwei Wochen! Leider heißt das eben auch: Politik bewegt sich nur, wenn sie unbedingt muss. Weil Handeln immer an Besitzstände rührt. Und zu Ärger führt.