Meinung
Dohnanyi am Freitag

Kernenergie als Klimaschutz?

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Hamburgs ehemaliger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi und Matthias Iken, stellvertretender Chefredakteur des Hamburger Abendblatts.

Hamburgs ehemaliger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi und Matthias Iken, stellvertretender Chefredakteur des Hamburger Abendblatts.

Foto: Sven Simon/Andreas Laible / imago images/HA

Hamburgs Altbürgermeister Klaus von Dohnanyi im Gespräch mit Matthias Iken. Heute über den Ausstieg aus dem Ausstieg.

Hamburg. Matthias Iken: Der frühere BASF-Chef Jürgen Hambrecht saß wie Sie vor zehn Jahren in der Ethikkommission, die den Atomausstieg empfahl. Heute hält er das Urteil für falsch. Der Klimawandel war 2011 schon bekannt – warum hat CO2 damals kaum eine Rolle gespielt?

Klaus von Dohnanyi: Der Klimaschutz stand im Mittelpunkt unserer Beratungen. Die Ethikkommission sagte klar: „Der Atomausstieg kompromittiert“ die Klimaziele nicht, denn wir rechneten mit einem schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien und der Stromtrassen. Beides wird durch Bürgerinitiativen und umständliche Genehmigungsverfahren behindert. Hier hätte ich mir von denjenigen, die Klimaschutz auf ihre Fahnen geschrieben haben, mehr Mut gewünscht. Leider Fehlanzeige.

Iken: Würden Sie nun auch eine Laufzeitverlängerung der sechs verbliebenen Kernkraftwerke empfehlen?

Dohnanyi: „Theoretisch“ wäre es besser, der Ausstieg würde etwas später erfolgen. Hambrecht und ich hatten auch damals mit dem Termin lange gezögert. Aber eben nur theoretisch: Zehn Jahre zuvor, 2001, hatte es die Terrorattacke mit Flugzeugen auf die Türme in New York gegeben, und es bestand Konsens, dass unsere Kernkraftwerke derart schweren Angriffen aus der Luft kaum standhalten würden; dann der Schock von Fukushima. Und im Bundestag gab es keine Mehrheit mehr für die Kernenergie. Kürzlich trafen wir uns in der ehemaligen Ethikkommission erneut; auch ich äußerte Zweifel an unserer Entscheidung. Aber unter den damaligen Bedingungen und Kenntnissen würde ich sie aus politischen Gründen heute genauso wieder treffen.

Iken: Bert Brecht sagt: Wer A sagt, der muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war. Gilt der Satz in der Politik nicht?

Dohnanyi: Aber natürlich gilt er: Die Entscheidung, aus der Atomenergie auszusteigen, belegt das doch überdeutlich. Lange hatte Deutschland auf Kernenergie gesetzt und war dann teuer ausgestiegen! Aber können wir heute wieder rein? Eventuell mit kleineren Kraftwerken? Oder später, mit der Fusionstechnologie? Wir müssten offen bleiben für solche Alternativen und zurück an die Forschungsspitze. Wenn alles elektrisch wird, brauchen wir sehr viel Strom. Kann das die neue Koalition? Oder jetzt Laufzeiten verlängern, in dieser innenpolitischen Landschaft? Unmöglich. Nein, wir müssen uns auf harte Durchsetzungen von Trassen und Windparks konzentrieren. Es müssen Gesetze her, die den Ablauf in den Gerichten verkürzen. Politisch schwer. Da müssen die Grünen an die Front!

( Klaus von Dohnanyi und Matthias Iken )

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