Hamburg. Immer mehr stimmen per Post ab – ohne etwa zu wissen, wer beim TV-Duell patzt. Wie wär’s mit einem freien Tag plus Feuerwerk?

Früher, als die Welt noch in Ordnung gewesen sein soll, da folgte ein Wahlsonntag seiner festen Dramaturgie. Das gute Gewand wurde angelegt, dann ging es in die Kirche. Der Geistliche gab den Gläubigen ungefragt eine Wahlempfehlung mit. Auf dem Rückweg Richtung Kneipe oder Sonntagsbraten war ein Zwischenstopp einzulegen. Im Wahllokal, meist Schule oder Behördensaal, wurde mit amtlicher Feierlichkeit der vornehmste aller demokratischen Akte vollzogen: die Stimmabgabe, allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim. „Wahlen sind Festtage der Demokratie“ pflegte unser Gemeinschaftskundelehrer zu sagen.

Weil der Sonntag längst nicht mehr so berechenbar verläuft, hat das Festliche der Demokratie ein wenig gelitten. Immer mehr Menschen wählen vom Küchentisch aus, auch aus Angst vor einer Covid-Infektion. Als die Briefwahl 1957 für Menschen eingeführt wurde, die es nicht an die Urne schaffen, gaben knapp fünf Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimmzettel in die Post – 2017 wählten schon fast 30 Prozent von zu Hause aus.