Hamburg. Die Journalisten Christoph Schwennicke (r.) und Lars Haider pflegen eine E-Mail-Freundschaft, die wir jeden Sonnabend hier veröffentlichen.
Haider: Lieber Christoph, du hast mal wieder alles richtig vorhergesagt: Baerbock bei den Grünen, Laschet bei der CDU, dazu Scholz bei der SPD – die Kanzlerkandidaten stehen fest. Jetzt musst du mir nur noch verraten, wer am Ende tatsächlich Kanzlerin wird.
Schwennicke: Im Moment sind alle besoffen von Annalena Baerbock. Ich leide auch offen gestanden an den unkritischen Huldigungen vieler Kollegen, das ist nicht unser Job, Politikern Beifall zu spenden. Wenn sich diese Welle so fortsetzt, dann spült sie die am Ende wirklich noch ins Kanzleramt. Für wahrscheinlicher halte ich aber nach wie vor Armin Laschet.
Haider: Wird Baerbocks fehlende Regierungserfahrung im Wahlkampf eher ein Nach- oder ein Vorteil sein?
Schwennicke: Im Wahlkampf nicht. Da reicht die kesse Lippe, die hat sie. Aber im Falle eines Sieges danach. Und wie.
Haider: Laschets Vorteil dürfte sein, dass man ihn leicht unterschätzt: Wer Merz und Söder hinter sich lässt, weiß genau, wie man Macht ein- und umsetzt. Will sagen: Laschet mag ein fröhlicher, netter Mann sein, aber auch einer, der sich durchsetzen kann.
Schwennicke: Ich habe zweimal in Talkshows am eigenen Leib erlebt, wie sich der nette Herr Laschet plötzlich wandeln kann. Ich hatte ihn verbal attackiert als Erfüllungsgehilfen seiner Angela – mein lieber Schwan, ging der dann ab!
Haider: Und was wird jetzt aus Markus Söder und Robert Habeck?
Schwennicke: Söder wird lauern auf ein Scheitern Laschets, sei es bei der Wahl oder danach. Ideal wäre für ihn, er holt die Bayernwahl 2023, da ist Halbzeit der Berliner Legislatur, und dann empfiehlt er sich als Retter. Zur Halbzeit steht eine neue Regierung meistens schlecht da. Der hat nicht aufgegeben, auch wenn ihm Laschet am Ende für dieses Mal seine Grenzen aufgezeigt hat. Habeck kann ich schlecht beurteilen. Er trägt schwer an dem Umstand, dass er in Wahrheit bei den Grünen nie eine Chance hatte gegen eine Frau. Wie sich das mittelfristig auswirkt, ob er sich damit arrangiert oder öde daran zerbricht wie seinerzeit Oskar Lafontaine: Ich weiß es nicht.
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