Hamburg. Die Journalisten Christoph Schwennicke (r.) und Lars Haider pflegen eine E-Mail-Freundschaft, die wir jeden Sonnabend an dieser Stelle veröffentlichen.
Haider: Lieber Christoph, allmählich bekomme ich den Eindruck, dass es dem einen oder anderen Spitzenpolitiker nicht mehr nur um die Pandemie, sondern vor allem um die eigene Rolle bei der Bundestagswahl geht – was der Sache, also der Eindämmung der dritten Welle, nicht nutzt.
Schwennicke: Deine Synapsen und dein politisches Sensorium sind intakt, würde ich sagen. Zugleich ist das in der Politik immer so. Das eigene Süppchen wird immer auf der heißesten Herdplatte gekocht.
Haider: Was am meisten nervt, ist das weitgehend über Talkshows ausgetragene Duell zwischen Laschet und Söder. Die beiden sollten schnell entscheiden, wer von ihnen Kanzlerkandidat wird, denn ein persönliches Scharmützel können wir uns angesichts der Corona-Lage nicht erlauben …
Schwennicke: Es wird wohl auf ein „Plebiszit“ in der Fraktion hinauslaufen. Nun kann man sagen: Im historischen Beispiel 1979 ging das zugunsten von Strauß und der CSU aus. Aber es gibt auch eklatante Unterschiede. Ernst Albrecht, der Gegenkandidat von der CDU, war damals nicht Parteivorsitzender wie Armin Laschet jetzt. Und es hatten sich namhafte CDU-Leute öffentlich gegen ihn positioniert. Alle respektablen und journalistisch gebotenen Versuche vor allem des „Spiegels“, solche Kronzeugen jetzt auch aufzufahren, sind bisher gescheitert. Nur Notorische und Hinterbänkler, die sie seit drei Ausgaben pro Söder aus der CDU präsentieren können. Das kann man abheften.
Haider: Du kennst den Söder ja gut: Wie macht er es, dass er gefühlt alle zwei Stunden in einem anderen Sender und mit einer anderen Forderung auftaucht?
Schwennicke: Söder ist, wie der Brite sagt: full of himself. Ein Kraftprotz und ein politisches Urvieh, wie man es sein muss für die Aufgabe, die er innehat, und für Höheres. Geltung bedeutet ihm alles. Die bekommt er. Und holt sie sich gierig wie der Bär den Honig aus dem Bienenstock.
Haider: Bleibst du dabei, dass er trotzdem nicht Kanzlerkandidat wird?
Schwennicke: Ich gebe zu: Ich war mir schon sicherer in dieser Prognose. Laschet zeigt Schwächen nach Wirkungstreffern, und alle dreschen sich auf ihn ein. Trotzdem bleibe ich dabei. Bei der CDU-Vorsitzendenwahl habe ich damit recht behalten. Diesmal kann es sein, dass ich auf der Nase lande. Aber ohne jede persönliche Präferenz: So wie Söder durch seine Art des Auftretens leicht überschätzt wird, könnte es bei Laschet genau umgekehrt sein.
Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Meinung