Der Frühling sollte in Belarus einen neuen Aufbruch bringen. Mit Massenprotesten wollte die Opposition im Land an die Freiheitsrevolte des vergangenen Sommers anknüpfen. Richtig müsste es heißen: die Opposition im Exil. Und genau damit beginnen die Probleme der Gegner von Alexander Lukaschenko. Es ist dem Langzeitherrscher gelungen, ausnahmslos alle führenden Widerstandsfiguren aus dem Land zu treiben oder sie einzukerkern.
Die Folgen ließen sich am Wochenende beobachten. Sonderpolizisten, die in ihren martialischen Monturen wie Kampfroboter wirken, erstickten ohne große Mühe alle Versuche zum friedlichen Protest im Keim. Den Menschen, die trotz der Gewaltexzesse des Herbstes in Belarus geblieben sind, ist die Siegeszuversicht abhandengekommen. Die Empörung über die Unrechtsherrschaft reicht nicht mehr aus, um die eigene Angst zu überwinden. So haben die Unterdrücker leichtes Spiel.
Lukaschenko hat europäisches Nordkorea errichtet
Hinzu kommt, dass Lukaschenko die Reihen im Apparat noch fester geschlossen hat. Zu sehen war das schon bei der „Allbelarussischen Volksversammlung“ Ende Januar. Die Bilder handverlesener Kader, die dem Diktator bei seiner mehrstündigen Rede mit versteinerten Gesichtern applaudierten, erinnerten an Parteitage der späten Sowjetzeit: Lukaschenko hat in Belarus, in direkter Nachbarschaft zur EU, ein europäisches Nordkorea errichtet.
Übrigens mit russischer Hilfe. Denn ohne das Wohlwollen des Kreml wäre der Diktator in Minsk so verloren wie das Regime in Pjöngjang ohne chinesische Unterstützung.
Armutszeugnis für die Staatengemeinschaft
Und die EU? Schaut schulterzuckend zu. Das ist der eigentliche Skandal. Natürlich ist es nicht leicht, in der anhaltenden Ost-West-Konfrontation eine Erfolg versprechende Belarus-Strategie zu entwickeln. Es aber gar nicht erst zu versuchen und sich mit wohlfeilem Applaus für die „mutigen Menschen in Minsk“ zu begnügen, ist ein Armutszeugnis für die Staatengemeinschaft.
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