Meinung
Gastbeitrag

Wir müssen die Hamburger Innenstadt neu denken

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Cord Wöhlke
Cord Wöhlke ist Geschäftsführer der Drogeriemarktkette Budnikowsky

Cord Wöhlke ist Geschäftsführer der Drogeriemarktkette Budnikowsky

Foto: Roland Magunia

Die City muss künftig für mehr stehen als Einkaufen, Büros und Hochkultur, um aus der Krise zu kommen.

Hamburg. Mit dem dritten Lockdown wird der Hamburger Innenstadt ein weiterer Dornröschenschlaf auferlegt. Dieser wird tiefgreifende Folgen haben, die in ihrer Dimension noch gar nicht abzuschätzen sind.

Dabei befindet sich die Innenstadt nicht erst seit der Pandemie in einem tiefgreifenden Strukturwandel. Sie hat als leuchtendes Zentralgestirn der Me­tropolregion an Anziehung verloren. Die gesamte Metropolregion verliert damit ihre Leuchtkraft.

Daher ist die Innenstadt-Entwicklung auch ein zentrales Thema im Rahmen der neuen Standortstrategie „Hamburg 2040“ der Handelskammer Hamburg. Durch den rasant wachsenden Onlinehandel und die teilweise Austauschbarkeit manch filialisierter Angebote verliert der Einzelhandel zunehmend seine Rolle als wichtigster Besuchsanlass der Innenstadt.

Inhabergeführte Geschäfte können dem Wettbewerb nicht standhalten

Binnen zehn Jahren hat sich der Umsatz im Onlinehandel von rund 15,6 Milliarden Euro im Jahr 2009 auf rund 72 Milliarden Euro im Jahr 2020 mehr als vervierfacht. Die Folge ist, dass sich die Einkaufsstraßen stark verändern.

Nicht nur die großen Kaufhäuser geraten unter Druck, auch inhabergeführte Geschäfte und Filialen bekannter Marken können dem Wettbewerb nicht standhalten. Zusammen mit der voranschreitenden Digitalisierung, die nicht primäre Ursache, sondern lediglich Katalysator der Veränderungen im Einzelhandel ist, und der durch die Corona-Pandemie insgesamt beschleunigten Umwälzungsprozesse, funktioniert der Einzelhandel nicht mehr als attraktiver Magnet für unsere Innenstädte.

Vorteil der HafenCity

Hamburgs Zentrum ist mit seinen Theatern und Museen, der vielfältigen Gastronomie, den Hotels und den zahlreichen Angeboten zur Freizeitgestaltung zweifelsfrei ein Touristenmagnet und wirtschaftliches, kulturelles, politisches und gesellschaftliches Zentrum der gesamten Metropolregion. Stattliche Konkurrenz kommt allerdings zunehmend auch aus den eigenen Reihen durch die starken Hauptzentren in den Bezirken. In diesen wird die Nachfrage durch verstärktes Homeoffice und den Wunsch der wohnortnahen Versorgung immer größer.

Ein Beispiel dafür ist die HafenCity. Mit neuen Flächen für Büros, Wohnungen, Gastronomie, Hotels und Einzelhandel hat sie gegenüber der Innenstadt den klaren Vorteil, neben einer attraktiven Nutzungsmischung viele hochwertige öffentliche Freiflächen und Spielplätze zu bieten, die nur wenig vom Straßenverkehr beeinträchtigt werden.

Innovative Konzepte werden gebraucht

Nun rächt sich auch, dass die notwendige stadträumliche Verknüpfung zwischen alter Innenstadt und neuer HafenCity stets nur halbherzig betrieben wurde und zahlreiche gute Ideen, wie die von der Handelskammer vorgeschlagene Untertunnelung der Willy-Brandt-Straße, stets auf dem Altar der Bedenkenträger geopfert wurden.

Die Innenstadt muss zukünftig für deutlich mehr stehen als für Shopping, Büros und Hochkultur. Dazu braucht es innovative Konzepte und Projekte, die nachhaltig die Attraktivität steigern. Die Beispiele, an denen sich Hamburg orientieren kann, sind genauso anregend wie zahlreich.

Die Stadt Paris beispielsweise kauft in Einzelfällen gezielt Ladengeschäfte, um sie an kleine Fachhändler zu vermieten. Helsinki zeigt, wie eine neue Zentral- bibliothek Bildung und gesellschaftlichen Diskurs stärken kann. La Paz und Mexico City lösen Verkehrsprobleme mit Seilbahnen. Hamburg muss endlich aufhören, seiner Fantasie Grenzen zu setzen und stattdessen anfangen, diese über einen umfassenden Masterplan für die Innenstadt zu beflügeln.

Große Vielfalt und Nutzungsmischung sind entscheidend

Denn da wo die Menschen wohnen, arbeiten, ihre Freizeit verbringen und Handel stattfindet, ist es lebendig. Das sieht man deutlich in den attraktiven und belebten Quartieren der Stadt. Eine große Vielfalt und Nutzungsmischung sind entscheidend.

Für die Aufenthaltsqualität brauchen wir aber auch neue Erlebnisräume durch die Neugestaltung von öffentlichen Räumen, die gleichzeitig auch bespielt werden. Politik, Verwaltung, Grundeigentümer, Verbände, Institutionen und andere Initiativen müssen gemeinsam aktiv werden. Neue Impulsprojekte wie das Naturkundemuseum, der Ausbau des Hauptbahnhofs, eine Belebung des Rathausmarktes und anderer Plätze, die stärkere Einbeziehung und Nutzung der Binnenalster und Fleete und die Integration von innovativen Wohnkonzepten werden neue Besuchsanlässe schaffen.

Für diese weitreichenden Vorhaben brauchen wir einen ressortübergreifenden Innenstadtkoordinator in der Senatskanzlei. Gemeinsam muss es uns mit allen Hamburgerinnen und Hamburgern gelingen, unserer Innenstadt ihre Strahlkraft wiederzugeben und damit auch Hamburg insgesamt zukunftsfähig im Wettbewerb mit anderen Städten zu machen.

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