Er habe sich in mir getäuscht, schrieb mir kürzlich ein alter Freund am Ende ermüdender E-Mails, ich hätte meinen investigativen Schneid verloren. Hinter meiner vermeintlichen Ignoranz witterte er Arroganz: Denn er, in Spanien lebender Argentinier, wollte mich, die deutsche „Spiegel“-Journalistin, dazu bringen, über ein Medikament gegen Covid-19 zu recherchieren, das Ärzte in Bolivien erprobt hätten – und zwar weit vor westlichen Forschern. Zu seiner Enttäuschung schenkte ich dem Wundermittel Chlordioxid keine Beachtung.

Mehr als 30 Jahre waren wir befreundet. Jetzt ist da etwas zerbrochen. Der Riss ist einer, der auch die deutsche Gesellschaft spaltet. Wenn in Berlin Demonstranten auf die Straße gehen, marschieren Leute wie mein Bekannter virtuell mit. Man gratuliert sich gegenseitig zum Widerstand: gegen ein angebliches Komplott zwischen Bill Gates, der Pharmaindustrie und der Weltgesundheitsorganisation – orchestriert von willfährigen, korrupten Journalisten.