Meinung
Gastbeitrag

Staatskapitalismus im Impfstoff-Labor

| Lesedauer: 4 Minuten
Lüder Gerken
Prof Dr. Lüder Gerken ist Vorsitzender der Stiftung Ordnungspolitik und des Centrums für Europäische Politik in Freiburg/Breisgau.

Prof Dr. Lüder Gerken ist Vorsitzender der Stiftung Ordnungspolitik und des Centrums für Europäische Politik in Freiburg/Breisgau.

Mit der Beteiligung an der Firma Curevac stellt sich die Bundesregierung gegen die Globalisierung – und schadet deutschen Interessen.

Hamburg. Die Meldung kam vor wenigen Tagen: Der deutsche Staat steigt mit 300 Millionen Euro als Miteigentümer beim deutschen Biotechunternehmen Curevac ein. Das ist nichts anderes als Staatskapitalismus. Zum einen ist Curevac eines von weit mehr als 100 Unternehmen, die an einem Corona-Impfstoff arbeiten. Niemand weiß, wer die größten Chancen hat, ihn zu finden. Zum anderen gibt es Förderprogramme, mit denen mehr als nur ein Unternehmen unterstützt werden kann. Warum stockt man die nicht auf? Weshalb erhält nur Curevac eine Finanzspritze?

Das Unternehmen braucht Geld. Der Einstieg des deutschen Staates soll ausländische Investoren – die schon bereitstanden – raushalten. Hier ist unser Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) in seinem Element. Er hält nichts von den wirtschaftspolitischen Grundsätzen, die einst Ludwig Erhard seinem Modell der sozialen Marktwirtschaft zugrunde legte: Der Staat schafft die Rahmenbedingungen; er tritt nicht in Konkurrenz zu privaten Unternehmern; und er mischt sich nicht in Investitionsentscheidungen ein.

Curevac ist nur die Spitze eines Eisbergs. Zunehmend macht sich in der deutschen Wirtschaftspolitik Festungsmentalität breit: Wir müssen unsere wertvollen Unternehmen vor den bösen ausländischen Investoren schützen. Das deutsche Außenwirtschaftsrecht wird derzeit in diese Richtung geändert.

Bislang gilt in Deutschland: Die Bundesregierung kann einem Nicht-EU-Unternehmen den Kauf eines deutschen Unternehmens nur dann verbieten, wenn der Kauf die öffentliche Ordnung „tatsächlich und hinreichend schwer gefährden“ würde und wenn dadurch „ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt“ würde. Zukünftig wird die Bundesregierung den Kauf bereits verbieten können, wenn er die öffentliche Ordnung „voraussichtlich beeinträchtigen“ würde. Also statt „tatsächlich“ nur noch „voraussichtlich“ und statt „hinreichend schwere Gefährdung“ nur noch „Beeinträchtigung“. Das „Grundinteresse der Gesellschaft“ wird ganz gestrichen.

Das öffnet ein weites Feld für industriepolitische Mätzchen und Allüren. Sind ausländische Investoren wirklich so gefährlich? Ihr Investitionsinteresse ist ein Indiz für die Standortattraktivität eines Landes. Wenn eine US-Firma in Deutschland eine Produktionsstätte errichtet, schafft das Arbeitsplätze. Wenn ein chinesisches Unternehmen ein deutsches Unternehmen kauft, fließt Kapital nach Deutschland. Der deutsche Verkäufer kann den erzielten Kaufpreis erneut investieren und damit zusätzliche Wertschöpfung, also Wohlstand schaffen.

Die Protektionisten entgegnen: Durch den Kauf deutscher Unternehmen verschaffen sich ausländische Unternehmen deutsches Know-how und nutzen es dann für eigene Zwecke. Ja und? Erstens muss das Unternehmen den Marktwert des Know-hows bezahlen. Zweitens ist dieses Know-how regelmäßig an die in Deutschland ansässigen Mitarbeiter gebunden und kann nicht ohne Weiteres aus Deutschland abgezogen werden. Drittens hat auch ein ausländischer Eigentümer typisch marktwirtschaftliche Interessen: Umsatz- und Gewinnerzielung. Ein Manöver, Know-how aus Deutschland abzuziehen und mit ihm Waren nur noch für das eigene Land statt für die Weltmärkte zu produzieren, schadet diesen Interessen und widerspricht unternehmerischem Denken.

Anders sieht es aus, wenn das aufkaufende ausländische Unternehmen dem Staat gehört oder unter Staatseinfluss steht, etwa indem es subventioniert wird. Dann droht im zwischenstaatlichen Kampf um Einfluss und Macht in der Tat eine politische Instrumentalisierung aufgekaufter Unternehmen. Hiergegen hat das Außenwirtschaftsrecht ausreichend scharfe Schwerter: Exklusivverkäufe von deutschen Impfstoffen in die USA etwa kann man verhindern. Jüngst hat die EU-Kommission zusätzliche Vorschläge gemacht, mit denen kaufinteressierte Nicht-EU-Unternehmen genauer auf Staatseinflüsse geprüft werden können. Das ist sachgerecht. Eine Abschottung Deutschlands gegen ausländische Investoren hingegen schadet am Ende deutschen Interessen. Wir sind jedoch auf dem Weg dorthin. Andere Staaten verhalten sich ähnlich. Erleben wir gerade das Ende der Globalisierung? Es hat fast den Anschein.

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