Hamburg. Hamburger Strafverteidiger: Einschränkung von Grundrechten ist wie eine Operation am offenen Herzen der Verfassung.

Das Regieren mittels Notstandsgesetzen ist ein potenzielles Einfalltor für Bestrebungen, welche auf die Aushebelung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung abzielen. Mag die Coronakrise als Anlass auch gerechtfertigt erscheinen: Die Einschränkung von Grundrechten wie der Freizügigkeit, der Unverletzlichkeit der Wohnung oder der Versammlungsfreiheit ist stets eine Operation am offenen Herzen der Verfassung.

Institutionen wie das Robert-Koch-Institut und die Gesundheitsbehörden der Länder geben plötzlich den Pulsschlag des Lebens vor, jederzeit bereit, ihn bei Bedarf auch nahezu komplett anzuhalten. Wie zielführend die Einschränkungen sind und wie groß ihre Kollateralschäden, wird erst die Zukunft zeigen. Schon heute aber sollten wir darüber nachdenken, auf welche Weise die Aufhebung sämtlicher Maßnahmen am Tag X sichergestellt werden kann.

Mögliche Grundrechtsbeschränkungen

Eine klare Definition, unter welchen Bedingungen die volle Wirkmacht des Grundgesetzes wiederherzustellen ist, lässt der maßgebliche §32 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) leider vermissen. Die am 27.3.2020 nach anderthalbstündiger Diskussion vom Bundestag beschlossene Änderung des IfSG zentralisiert die Notstandsbefugnisse. Künftig stellt der Bundestag „eine epidemische Lage von nationaler Tragweite fest“, verbunden mit einer umfassenden Verordnungsermächtigung an das Bundesministerium für Gesundheit (§ 5 IfSG).

Das Gesetz sieht keine Befristung vor. Der Bundestag habe die Feststellung wieder aufzuheben, „wenn die Voraussetzungen für ihre Feststellung nicht mehr gegeben sind“. Das ist alles. Die Feststellungsermächtigung an den Bundestag und die Verordnungsermächtigung an das Bundesgesundheitsministerium sollen immerhin mit Wirkung zum 1.4.2021 entfallen. Die Frist kann nicht beruhigen angesichts der in der Zeit möglichen tiefgreifenden Grundrechtsbeschränkungen.

Dauerhafte Abschaffung des Bargelds

Insbesondere: Es gibt keine Regelung eines Verfahrens, wie es zur Aufhebungsentscheidung kommt. Wie sich dieser Zeitpunkt definiert, könnte zum heiß umkämpften Gegenstand monatelanger rhetorischer Spitzfindigkeiten zwischen Virologen, Politikern und Juristen werden. Wie groß wird die Versuchung in Zukunft sein, heiße Wahlkämpfe durch die Feststellung einer epidemischen Lage mithilfe des IfSG abzukühlen? Könnten die heute aus Hygienegründen geltenden „dringenden Empfehlungen“ zur Nutzung bargeldloser Zahlungswege den Pfad zur dauerhaften Abschaffung des Bargelds bereiten und damit den Überwachungsstaat perfektionieren? Würden längere Notstände vielleicht sogar dem Klima helfen?

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von Youtube, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Auch alte Animositäten erhalten neue Nahrung: Nach der faktischen Unabhängigkeitserklärung Schleswig-Holsteins und Mecklenburg-Vorpommerns aufgrund von Corona verwandelten sich Bürger in Blockwarte und hatten eine diebische Freude daran, Hamburger Ferienhausbesitzer mit rabiaten Methoden aus dem Land zu werfen. Eine Schande.

Informationen zum Coronavirus:

Dass Begehrlichkeiten verschiedenster Art gerne die Gunst der Stunde nutzen würden, liegt auf der Hand. Angesichts der größten Grundrechteeinschränkung seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland ist deshalb jetzt höchste Wachsamkeit angesagt!

Der Autor: Der Hamburger Dr. Gerhard Strate ist einer der bekanntesten Rechtsanwälte und Strafverteidiger Deutschlands.