Hamburg. Professor Thomas Straubhaar von der Universität Hamburg warnt: Durch den Shutdown kann das Gesundheitssystem kollabieren.

Ökonomie ist nicht alles. Stimmt. Aber richtig ist auch: Ohne Wirtschaft ist alles andere nichts. Dass Produzieren vor Konsumieren kommt, ist seit der Vertreibung aus dem Paradies Grundgesetz des Menschseins. Zunächst müssen die Voraussetzungen geschaffen werden. Danach erst lässt sich Not lindern. Deshalb gilt auch: mit einer (zu) schwachen Wirtschaft werden in der Coronakrise (zu) viele Menschenleben gefährdet.

Wenn richtigerweise politisch alles zu tun ist, um möglichst vielen Menschen ein gesundes und gutes Leben zu ermöglichen, dann geht das nicht gegen, sondern nur mit der Ökonomie. Um dies zu erkennen, bedarf es keiner vertieften Analyse. Ein Blick zurück in die Geschichte hilft. Im Mittelalter war der Großteil der Bevölkerung arm und starb früh. Seuchen, Pest und Cholera fanden leicht und in Masse Opfer. Mit steigendem Wohlstand verlängerte sich die Lebenserwartung. Noch eindrücklicher zeigt ein Ländervergleich, wie positiv sich eine starke Wirtschaft auswirkt. Unverändert gilt: Je ärmer eine Gesellschaft, umso (deutlich) früher sterben die Menschen: In Afrika (südlich der Sahara) liegt die Lebenserwartung bei Geburt leicht über 60 Jahren, in Asien bei 70 Jahren, in Europa und Nordamerika bei fast 80 Jahren.

Voraussetzung für ein funktionierendes Gesundheitswesen

Eine gesunde Wirtschaft ist die unverzichtbare (wenn auch nicht einzige!) Voraussetzung für ein funktionierendes Gesundheitswesen. Wer sonst, wenn nicht die Wirtschaft produziert all die Apparate, Instrumente, Medikamente, Impfstoffe und Schutzeinrichtungen. Wer, wenn nicht die Wirtschaft sorgt für Versorgung und Logistik, Kommunikation und Informationen, um (Schwerst-) Erkrankte zu retten?

Angesichts dieser Zusammenhänge erschüttert es, mit welcher Nonchalance während der Coronavirus-Krise nun die Folgen der Shutdown-Strategie kleingeredet werden. Ob ein Vollstopp von Wirtschaft und eine Isolation der Bevölkerung Wochen oder Monate oder noch länger dauern werde – so what? Wenn es um Menschenleben gehe, sei es zweitrangig, dass die Wirtschaft einbreche. Das ist so falsch, wie es dumm ist, Ökonomie und Gesellschaft gegeneinander auszuspielen.

Es geht um Menschenleben

Gerade weil es um Menschenleben geht, bedarf es einer bestens funktionierenden Wirtschaft. Mit demotivierten Unternehmen, die ihre Produktion einstellen, Bauernhöfen, die mangels Saisonarbeitskräfte nicht mehr für Nachschub an Frischwaren sorgen, erschöpften Eltern, die nicht mehr mit voller Kraft auf Intensivstationen und in Krankenhäusern ihren Job erfüllen können und einer massiv eingeschränkten Normalität des sozialen Lebens droht eine Implosion von Wirtschaft und Gesellschaft als Folge der sozioökonomischen Folgen eines Shutdowns.

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In wirtschaftlich schlechteren Zeiten kommt es eben nicht nur zu Hamsterkäufen und „Hau ab“-Forderungen an Ortsfremde. Wenn die ökonomische Not größer wird, ein Jobverlust droht, Betriebe vor dem Konkurs stehen, bröckelt auch das Selbstverständnis für das große Ganze. Dann schlägt die Stunde der Populisten. Selten zuvor im wiedervereinigten Deutschland war ein starkes Wirtschaftswachstum so vonnöten wie jetzt. Eine durch langen Shutdown und andauernde Isolation in die Knie gezwungene Ökonomie wird auch das Gesundheitswesen kollabieren lassen.

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Dann erreicht man das Gegenteil dessen, was richtigerweise mit der Politik des Zeitgewinnens verhindert werden sollte. Eine Wirtschaftskrise ist keine Bagatelle, sondern eine gesellschaftliche Katastrophe. Sie trifft die Schwächsten am stärksten. Sie gefährdet Gesundheit und Leben weit jenseits der am Virus Erkrankten. Es ist höchste Zeit anzuerkennen, dass ohne starke Wirtschaft die Lebenserwartung in einer Gesellschaft insgesamt dramatisch gefährdet ist.

Der Autor: Prof. Thomas Straubhaar ist Professor für Internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Universität Hamburg.

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