Meinung
Gastbeitrag

Medikamenten-Rabatte? Von wegen!

| Lesedauer: 4 Minuten
Lüder Gerken

Wettbewerb unerwünscht: Wie die Bundesregierung ausländische Versandapotheken aus Deutschland vertreiben will.

Freuen Sie sich, wenn Sie beim Einkauf Rabatt bekommen? Vermutlich schon. Deshalb gibt es einen intensiven Wettbewerb um Kunden.

Nur bei verschreibungspflichtigen Medikamenten ist er nicht möglich: Rabatte und andere Vergünstigungen sind den deutschen Apotheken gesetzlich verboten – weil die meisten dies so wollen. Sie scheuen den Wettbewerb. Und sie haben eine mächtige Lobby.

Das deutsche Rabattverbot und die EU

Allerdings hat ihnen die EU ein wenig in die Suppe gespuckt. Und das kam so: In Deutschland regelt das Arzneimittelrecht auf den Cent genau den Preis für jedes verschreibungspflichtige Medikament. Die Krankenkassen erstatten den Apotheken den Großteil direkt, die Kassenpatienten zahlen der Apotheke nur ihren Eigenanteil, die „Zuzahlung“. Die Apotheken dürfen den Patienten darauf keinen Treue- oder anderen Rabatt geben. Das ist das „Rabattverbot“.

Im Jahr 2009 vereinbarte eine Parkinson-Selbsthilfeorganisation mit der holländischen Versandapo­theke DocMorris: Wer dort seine Medikamente bestellt, bekommt einen Bonus. Der Verein Wettbewerbszentrale klagte dagegen. Der Streit landete beim Europäischen Gerichtshof (EuGH). Der urteilte 2016: Das Rabattverbot verstößt gegen die Warenverkehrsfreiheit in der EU. Denn ohne Rabattmöglichkeiten hätten ausländische Versandapotheken keine Chance, auf dem deutschen Markt Fuß zu fassen.

Ausländische Apotheken dürfen rabattieren – deutsche nicht

Nun dürfen die EU-Staaten allerdings die Warenverkehrsfreiheit aus wichtigen Gründen einschränken. Einer ist die Sicherheit der Gesundheitsversorgung. Deshalb hatte die Bundesregierung im Prozess lapidar behauptet, dass das Rabattverbot für eine „flächendeckende Arzneimittelversorgung“ unverzichtbar sei, insbesondere in dünn besiedelten Gebieten. Allerdings konnte sie die vom EuGH dafür verlangten „objektiven Daten“ und „Beweise“ nicht liefern.

Wie auch? Während die Menschen auf dem Land oft sehr weit bis zur nächsten Apotheke fahren müssen, befindet sich in den Innenstädten eine an fast jeder Straßenecke – viel zu viele im Verhältnis zur dort lebenden Bevölkerung. Das EuGH-Urteil hatte zur Folge, dass das Rabattverbot nur noch für deutsche Apotheken gilt, nicht mehr für ausländische. Blöd gelaufen für die deutschen Apotheken. Denn dadurch sind nun sie es, die benachteiligt sind.

Bundesregierung will Medikamenten-Rabatte weiter verhindern

Seitdem haben die Lobbyisten der Apotheken die Bundesregierung bearbeitet, dagegen etwas zu tun. Vernünftig wäre, das Rabattverbot auch für deutsche Apotheken abzuschaffen, sodass sich diese dem Wettbewerb um die Patienten über Rabatte stellen können. Die Bundesregierung hat aber dank effektiver Lobbyarbeit etwas ganz anderes vor: Mit einem „Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken“ will sie das EuGH-Urteil unterlaufen und die ausländischen Versandapotheken aus Deutschland hinauskegeln: Das Rabattverbot soll vom Arzneimittelrecht ins Sozialgesetzbuch V verschoben werden. Dort steht die Regelung, dass die Apotheken verschriebene Arzneimittel außer der Zuzahlung mit der Krankenkasse direkt abrechnen. Das ist das „Sachleistungsprinzip“.

Die Bundesregierung behauptet nun in ihrem Gesetzentwurf – erneut lapidar und ohne plausible Begründung: Das Rabattverbot „gewährleistet die Umsetzung des Sachleistungsprinzips“. Ah ja? Und: Das Sachleistungsprinzip „gewährleistet die flächendeckende Arzneimittelversorgung“. Ah ja? Und: Die Ausgestaltung der Krankenversicherung und damit des Sachleistungsprinzips falle gemäß EU-Vertrag in die alleinige Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Das Letzte stimmt zwar. Dumm ist nur: Die Warenverkehrsfreiheit gilt auch hier.

Medikamenten-Rabatte? Nur für Privatpatienten

Wenn das Gesetz verabschiedet wird und vor dem EuGH landet, wird der erneut von der Bundesregierung „objektive Daten“ und „Beweise“ dafür verlangen, dass das Rabattverbot für die flächendeckende Arzneimittelversorgung unerlässlich sei. Das gelang ihr schon im Parkinson-Verfahren nicht, und es wird ihr auch hier nicht gelingen.

Übrigens: Die ganze Sache betrifft nur Patienten in der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Privatversicherten sollen also getrost Rabatte kassieren dürfen.

Manchmal haben die Politiker schon merkwürdige Vorstellungen von Gerechtigkeit. Aber: Die Apothekerlobby ist eben stark.

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