Warum Frank-Walter Steinmeier der Richtige im höchsten Amt ist.

Frank-Walter Steinmeier ist nun exakt in der Mitte seiner Amtszeit – seiner ersten; dass es eine zweite geben wird, ist angesichts der derzeitigen Machtverhältnisse und der Schwäche der SPD unwahrscheinlich, auch wenn Steinmeier seine Aufgabe bisher sehr respektabel erfüllt hat. Steinmeier ist ein hoch engagierter Verteidiger von Demokratie und Rechtsstaat in unsicheren Zeiten. Die Macht von Bundespräsidenten wurde von Anbeginn, von 1949 an, in rhetorischen Dezibel gemessen, in der Gabe also, grandios-furiose Reden zu halten. Die Macht der Nummer eins bestand stets darin, die großen Fragen der Zeit intellektuell ins Schweben zu bringen und dann der Gesellschaft den Weg zu weisen. Wenn man diesen Maßstab nimmt, ist Steinmeier bisher ein guter, aber kein mächtiger Präsident gewesen. Seine Reden sind klug, haben historische Spannweite und Tiefgang; aber ihre Kraft entfalten sie erst beim Lesen, nicht beim Hören.

Wenn man freilich das Schmieden einer Koalition, das Zusammenzwingen einer Regierung als Kennzeichen von Macht nimmt, dann ist Steinmeier ein Power-Präsident. Ohne das drängende und dirigierende Wirken dieses Präsidenten gäbe es keine Große Koalition mit der Kanzlerin Angela Merkel und dem Vizekanzler Olaf Scholz. Es hätte wohl stattdessen im Frühjahr oder Frühsommer 2018 Neuwahlen gegeben – mit unübersehbaren Risiken. Steinmeier, der gewiefte Chefdiplomat, hat das Amt der Staatsnotars neu ausgelegt: Der Jurist weiß, dass ein guter Notar nicht einfach ein braver Beurkunder ist, sondern ein kreativer Gestalter.