Die Debatte über die Seenotrettung im Mittelmeer braucht weniger Gesinnung und mehr Verantwortung.

Seit Bundesinnenminister Horst Seehofer seinen italienischen Kollegen Matteo Salvini aufgefordert hat, italienische Häfen für private Seenotretter zu öffnen, verstehen viele CDU/CSU-Abgeordnete die Welt nicht mehr. Ausgerechnet Seehofer, der in der Asylpolitik über Jahre den harten Hund gegeben hat, plötzlich ein Anwalt der Humanität! Was steckt hinter dem Sinneswandel? Milde am politischen Lebensabend? Oder doch nur die Reaktion eines Instinktpolitikers, dessen Bauchgefühl Seehofer gesagt hat: Mit dieser Meinung stehst du auf der richtigen Seite und sie ist populär. Nach dem ARD-Deutschlandtrend finden 72 Prozent der Bundesbürger die Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer gut. Die Kirchen haben die „Sea-Watch“, die „Sea-Eye“ und das private Aufklärungsflugzeug Moonbird sogar mit Spenden zwischen 50.000 und 100.000 Euro unterstützt. „Jesus würde auch helfen“, meint der Münchener Kardinal Marx.

Die Rettung von Schiffbrüchigen ist zweifellos ein Gebot der Humanität und des internationalen Seerechts. Das Pro­blem ist nur, dass das „klassische Seerecht“ nach Auffassung der Kieler Seerechtlerin Prof. Nele Matz-Lück nicht für die in Seenot geratenen Flüchtlinge im Mittelmeer „geschaffen ist“ und daher viele rechtliche Fragen unbeantwortet lässt. Solche Argumente gehen inzwischen in der von Moralisten dominierten öffentlichen Debatte unter.