Meinung
Leitartikel

Warum die Hamburg Messe umziehen sollte

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Sven Kummereincke

Foto: Andreas Laible / HA

Die Fläche in allerbester Lage wäre ein ideales Quartier zum Wohnen.

Hamburger Immobilien-Unternehmer und Projektentwickler werden feuchte Augen kriegen, wenn sie die Abendblatt-Schlagzeile heute lesen. 170.000 Quadratmeter beste innerstädtische Lage für Wohnungsbau? Das klingt ja zu schön, um wahr zu sein. So weit ist es natürlich noch nicht. Aber dass jetzt über die Zukunft der Hamburg Messe – und die Alternativen zum Ist­zustand – nachgedacht wird, ist nicht nur richtig, sondern zwingend. Die Debatte ist überfällig.

Die Fakten sollten dabei ganz unaufgeregt betrachtet werden. Es ist nüchtern abzuwägen, ob ein extrem günstig gelegenes Areal mit Messehallen effektiv genutzt wird – oder ob die Schaffung von so dringend benötigtem Wohnraum zweckmäßiger wäre.

Wir reden über eine Fläche von 17 Hektar, das entspricht etwa 17 Fußballfeldern. Wie viele Wohnungen für wie viele Menschen dort gebaut werden könnten, hängt natürlich von der Art und Weise ab. Niemand würde dort Wohnsilos errichten wollen. Aber auch wenn es ein Mischquartier wird, mit ausreichenden Freiflächen und Platz für soziale Infrastruktur­, kann man seriös von mehr als 10.000 Menschen sprechen, die dort leben könnten.

Ein solches Quartier hätte viele Vorteile. So ist die ÖPNV-Anbindung bereits vorhanden: Die U 2 (Haltestation Messehallen), die U 3 (Feldstraße) und die S-Bahn (Sternschanze) gibt es bereits. Sogar ein weitgehend autofreies Stadtviertel ist denkbar, schon weil der Bedarf sehr viel geringer wäre als in einem Außenbezirk. Der Wegfall des messebedingten Verkehrs würde das Quartier weiter aufwerten.

Charme hat diese Idee auch, weil keine Grünflächen geopfert werden müssten. Im Gegenteil: Eine heute vollständig versiegelte Fläche könnte teilweise begrünt werden.

Auf der anderen Seite stehen die Interessen der stadteigenen Hamburg Messe. Die möchte sogar eine zusätzliche Halle an der Lagerstraße bauen und so am Standort wachsen. Die innerstädtische Lage sei für Hamburg ein Plus gegenüber anderen Messen, heißt es. Aber ist das so?

Die Messe gehört zumindest nicht zu den übermäßig erfolgreichen in Deutschland. Gemessen am Umsatz ist sie die Nummer zehn in Deutschland – hinter Standorten wie Essen, Nürnberg oder Stuttgart. Alle neun größeren und erfolgreicheren Messen des Landes sind übrigens nicht in der Innenstadt angesiedelt. Die relative wirtschaftliche Bedeutung dieser Messen ist für die zum Teil sehr viel kleineren Städte ungleich höher als in Hamburg. Und auch als Image- und Werbeträger ist die Messe für Hamburg vergleichsweise unbedeutend.

Was spricht also gegen einen Umzug? Natürlich die Kosten, denn es müsste nicht nur ein geeigneter neuer Standort gefunden werden, dort wären auch neue Hallen zu errichten. Die allerdings könnten so konzipiert werden, dass sie den neuesten Anforderungen entsprächen – ein Vorteil für den Messestandort Hamburg.

Gegen eine Verlagerung spricht auch, dass die neuesten Hallen erst Anfang des Jahrtausends gebaut wurden. Finanziert wurden sie auf eine – aus heutiger Sicht – grotesk nachteilige Art und Weise: 22 Millionen Euro muss die Messe alljährlich an den privaten Investor überweisen, und das noch bis 2034. Umso wichtiger wäre es, dass die Stadt das 2020 erstmals mögliche Vorkaufsrecht nutzt. Aus finanziellen Gründen und um handlungsfähig zu sein.

Die Stadt muss jetzt prüfen, ob sie wirklich langfristig 17 Hektar im Herzen der Stadt für Hallen nutzen will, deren Auslastung bei 41 Prozent liegt. Die Antwort kann eigentlich nur eine sein: nein.

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