Meinung
Gastbeitrag

Wasserstoff wird Antrieb der Zukunft

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Frank Böttcher

Frank Böttcher über alternative Antriebe und die Grenzen der Elektromobilität 

Revolutionen haben einen entscheidenden Nachteil: Sie laufen oft so schnell ab, dass man nicht genug Zeit hat, die einzelnen Schritte zu hinterfragen. Doch gerade an den großen Wendepunkten unserer Zivilisation ist es zwingend geboten, sich Zeit für etwas zu nehmen. Was nämlich leider viel zu oft übersehen wird, ist die Logik.

Die Energiewende ist ein gewaltiger Umbruch in unserer Gesellschaft. Und er ist, um es gleich vorweg zu sagen, völlig richtig. In den letzten Millionen Jahren hat die Menschheit stets irgendetwas ins Feuer geworden, um Energie zu erzeugen. Nun stoßen wir an unsere Grenzen. Die Tatsache, dass Öl und Kohle endlich sind, fordert uns auf, die letzten verbleibenden Ressourcen als Rohstoff zu erkennen, der viel zu kostbar ist, um ihn einfach zu verbrennen. Ein Umstieg auf erneuerbare Energien ist klug und richtig. Doch wir müssen aufpassen, bei der Umsetzung nicht in eine Sackgasse zu fahren, in der ein Wendemanöver für ein Schwergewicht wie Deutschland schwierig, sehr teuer oder unmöglich wird. Die Rede ist von der Elektromobilität.

Sie zu verteufeln wäre genauso falsch, wie ihr unkritisch zu folgen. Eine einfache Rechnung zeigt das grundsätzliche Problem. Laut Kraftfahrtbundesamt gibt es in Deutschland 63,7 Millionen zugelassene Fahrzeuge. Ein durchschnittlicher Akku für einen Pkw verfügt über rund 40 Kilogramm Lithium – ein zu den seltenen Erden zählendes Metall. Würden alle Fahrzeuge in Deutschland auf Elektroantrieb umgestellt, bräuchten wir dafür rund 2,5 Millionen Tonnen Lithium. Die weltweite Förderung von Lithium betrug 2018 rund 250.000 Tonnen. Wenn Deutschland also die Weltproduktion an Lithium aus zehn Jahren benötigen würde, um eine Wende auf deutschen Straßen herbeizuführen, zeigt dies die Grenzen, die auch bei effizienteren Akkus bleiben. Ein Umstieg allein auf Elektromobilität ist keine wirkliche Option. Leider. Von der Technologie und dem ökologischen Wert kann man begeistert sein. Doch die Logik ist gnadenlos, betrachtet man die weiteren seltenen Erden, die nötig sind, die wenigen und politisch unsicheren Herkunftsländer und die zum Teil mit menschenverachtender Ausbeutung verbundenen Bedingungen in deren Minen.

Das wird beim Abbau von Kobalt deutlich. Rund elf Kilogramm dieses seltenen Metalls stecken im Mittel in einem Pkw-Akku. 2017 wurden weltweit 110.000 Tonnen gefördert, 64.000 davon allein im Kongo. Zwei gewaltige Probleme gibt es bei diesem Rohstoff. Zum einen wird Kobalt von Tausenden Kindern in Minen ausgebuddelt, was Uno und Menschenrechtsgruppen anprangern. Zum anderen ist der Weltmarkt zu mehr als der Hälfte von einem politisch schwierigen Staat abhängig. Das macht uns erpressbar. China will den Abbau von Minen unter dem Meer vorantreiben, mit nicht absehbaren Folgen für das Wasser und ohne internationale Regeln.

Spätestens an dieser Stelle sollten wir die Vernunft zu Wort kommen lassen: Elektromobilität ist eine Übergangstechnologie, die sich in ihrer reinen Form in kleinem Maßstab für lokale Strukturen eignet. Für die lokale Müllabfuhr und Paketzusteller ist der Antrieb ideal. Für den Massenbedarf ist der Einsatz weniger geeignet, und es gibt heute bessere und erprobte Lösungen.

Wasserstoff hat als Antrieb in fachkundigen Kreisen längst die Nase vorn. Das Gas wird einer Brennstoffzelle zugeführt, die für den Antrieb sorgt. Kleine Akkus, die in der Beschleunigungsphase der Brennstoffzelle helfen, werden beim Fahren und Bremsvorgang wieder aufgeladen. Japan setzt längst zum Überholmanöver an. Das Land hat die Förderung der Elektromobilität eingestellt und setzt vollständig auf Wasserstoff. Zu den Olympischen Spielen 2020 hat die Regierung das Ziel von 6000 mit Wasserstoff angetrieben Fahrzeugen vorgegeben. 35 passende Tankstellen sollen allein in Tokio gebaut werden. Japan hat die Antriebsfrage der Mobilität von morgen ausgehend von der Ressourcenfrage von morgen beantwortet. Das erscheint klug.

Seien wir nicht länger stolz auf die Zahl der gebauten Elektroladestationen, sondern werden wir in Hamburg stolz auf eine stärkere Förderung des Wasserstoffantriebs und den gleichzeitig maßvollen Einsatz der Elektromobilität. Dann gewinnen Vernunft und Logik.

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