Seit Steven Spielberg den Holocaust entdeckt habe, müsse man damit rechnen, „dass sich die monströse Geschichte der Judenausrottung im tiefen Dunkel romantischer Indianergeschichten verliert“, hat der Schriftsteller und Holocaust-Überlebende Imre Kertész den Filmerfolg „Schindlers Liste“ einst bitter kommentiert. Auch wer heute liest, dass ein US-Kinomagazin den „Holocaustfilm“ für ein Genre hält wie „Western“ oder „Sandalendrama“, dem bleibt kurz die Luft weg. Hat „Schindlers Liste“ das Grauen schon dadurch verkitscht, dass er es als Stoff benutzt hat?
„Die Tragödie besteht für mich vor allem darin, dass wir nicht das Geringste aus dem Holocaust gelernt haben“, glaubte Steven Spielberg selbst, als „Schindlers Liste“ Mitte der 1990er-Jahre herauskam. Damals mag mancher abgewinkt haben: Schien „Nie wieder“ nicht gesellschaftlicher Konsens? Heute, nach den NSU-Morden, nach Einschätzungen der NS-Zeit als „Vogelschiss“ in der deutschen Geschichte, nach einem erschreckenden Shitstorm für eine Journalistin, die „Nazis raus“ twitterte, und während des Aufstiegs rechter Parteien und Gruppierungen, wirkt solch ein Satz hellsichtig. Ja. Nichts gelernt.
„Schindlers Liste“ war wichtig, weil der Film seinen Beitrag lieferte zum Begreifen, Mitdenken, Mitfühlen. Er diente, und das ist nicht zu unterschätzen, auch der Selbstvergewisserung vieler, die sich gegen Hetze und Antisemitismus positioniert haben. Spielberg gründete nach dem Erfolg des Films die Shoah Foundation, um durch Zeitzeugen-Interviews den Holocaust zu dokumentieren – für die Zeit, in der Menschen auf die Idee kommen könnten, das Geschehene zu verhöhnen oder anzuzweifeln, weil es fast keine Zeugen mehr geben würde. Diese Zeit ist jetzt. Antifaschismus ist keine Selbstverständlichkeit. Es ist eine unaufhörliche Aufgabe.
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