Meinung
Leitartikel

Die Genderisierung im Sprachgebrauch nervt

| Lesedauer: 3 Minuten
Sophie Laufer

Zwischen Mutterland und Vatersprache: Hört auf mit dem Quatsch!

Ja, wir müssen über Gleichberechtigung sprechen. Die #MeToo-Diskussion ist richtig und wichtig für die Entwicklung unserer Gesellschaft. Und ja, wir Frauen sind in vielen Bereichen noch deutlich im Nachteil. Trotzdem fängt die Allgegenwärtigkeit der Genderdebatte an, mich zu nerven.

Um es kurz zu sagen: Ich fühle mich im Deutschland des Jahres 2018 nicht unterdrückt. Natürlich haben wir Frauen unter dem täglichen Spagat zwischen Job, Kindern und dem Haushalt mehr zu leiden als die meisten Männer. Es ist schier unmöglich, morgens ausgeschlafen und fröhlich die Kinder in die Kita zu bringen, danach im Job zu brillieren und am Nachmittag Hausfrau, Mutter und Freundin zu sein. Und dann noch am Abend für den Ehemann die verführerische, humorvolle Partnerin. Aber ist es nicht auch gerade dieser Anspruch, der das Leben so reizvoll macht? Und haben wir in dieser Rolle nicht auch Macht, die wir geschickt nutzen sollten (was wir übrigens ja oft auch tun)? Trotz der beschriebenen Doppelt-, Drei- und Vierfachbelastung würde ich nicht einen Tag mit einem Mann tauschen wollen.

Wenn ich sage, dass mich die Genderisierung des Alltags nervt, dann gilt das insbesondere für den Teil, mit dem ich auch beruflich zu tun habe: die Sprache. Ich kann es kaum ertragen, wenn Politiker in ihrer ewig korrekten Sprechweise von den Bürgerinnen und Bürgern, von Wählerinnen und Wählern sprechen. In einer Talkshow rutschte der Vertreterin einer Partei ernsthaft ein „Mitglieder und Mitgliederinnen“ hinaus. Geht’s noch?

Seltsam bemüht wirkt für mich auch, wenn frau oder man nicht mehr von Professoren oder Professorinnen spricht, sondern von Lehrenden, oder wenn aus Zuschauern das Publikum wird. Alles nur, um politisch korrekt zu sein. Immer öfter werden diese Sprachverrenkungen sogar aufgeschrieben und machen mehr und mehr Texte holperig­. Mir nimmt die Genderi­sierung die Freude am Zuhören und Lesen.

Interessant ist bei der ganzen Debatte auch, dass bei negativ besetzten Wörtern wie Mörder, Verbrecher oder Einbrecher kein Mensch die weibliche Form einfordert oder nutzt. Wenn man konsequent gendern würde, müsste man künftig auch von Steuerhinterzieherinnen und Steuerhinterziehern, von Gewalttätern und Gewalttäterinnen sprechen – was für ein Quatsch. Und der geht leider immer so weiter: Wollen wir künftig wirklich von Mutterland und Vatersprache reden? Ich nicht. Zumal etwa eine Genderisierung der Nationalhymne endgültig absurd wäre. Denn was sollen wir singen, um allen gerecht zu werden? „Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Mutterland/Vaterland/Mutter- und Vaterland? Danach lasst uns alle streben, schwesterlich/brüderlich/schwester- und brüderlich mit Herz und Hand?“ Oder noch schlimmer: „Danach lasst uns alle streben, geschwisterlich mit Herz und Hand.“

Eins ist doch klar: Das versteht irgendwann keine oder keiner mehr. Und durch diese Verkomplizierung der Sprache ändern wir am Verhalten der Menschen nichts. Dazu bedarf es mehr als künstlich aufgeblähter Reden oder Wörter, die kein Mensch begreift. Was wir Frauen wirklich brauchen, sind flexiblere Arbeitszeiten, mehr Home-Office, umfassende gute Kinderbetreuung. Und Männer, die trotz Genderisierung Männer bleiben (können).

Ich weiß, dass ich mich mit diesen Zeilen bei vielen unbeliebt mache. Aber es musste einfach mal raus. Und eines bin ich ja mit Sicherheit: Ich bin unverdächtig, weil ich selbst eine Frau bin.

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