Meinung
Kolumne

50+1-Entscheidung: Der Gewinner ist der Fußball

| Lesedauer: 12 Minuten
Sven Kummereincke

Die Mehrheit der Profivereine will sich nicht verkaufen lassen. Ein Entschluss, den man weise nennen darf.

Jetzt ist das eingetreten, was viele Fußball-Fans befürchtet haben: Die 36 deutschen Proficlubs haben entgegen allen Beteuerungen doch schon am gestrigen Donnerstag über die umstrittene „50+1-Regel“ entschieden. Allerdings ganz anders, als die Pessimisten glaubten: Die Mitgliederversammlung der Deutschen Fußball Liga (DFL) hat die Tür für Investoren, die sich die Mehrheitsanteile an Clubs sichern wollen, fest versperrt. Und das ist für den Fußball die beste Nachricht seit Jahren.

Dass es letztlich nur vier Vereine waren, die gegen den vom FC St. Pauli eingebrachten Antrag stimmten, ist erstaunlich. Zwar gab es auch neun Enthaltungen, fünf Clubvertreter waren nicht erschienen oder verweigerten die Abstimmung – von einer Spaltung der Fußballszene kann dennoch nicht die Rede sein.

Es ist natürlich schwer einzuordnen, warum wer wie gestimmt hat. War es der Druck der Fans, die vor der Versammlung eine Petition mit den Unterschriften Tausender Fan-Clubs überreicht hatten? Oder war es einfach der Druck der Argumente?

Richtung England haben jedenfalls beide Seiten geschaut. Die Gegner der 50+1-Regel verweisen gern auf die gewaltigen Summen, die der Fußball auf der Insel generiert, und auf die sportlichen Erfolge, die so erkauft werden können. Die Gegner beklagen die völlige Einflusslosigkeit der Fans und der Mitglieder. Und betonen die vielen Fälle, in denen Clubs unter den Folgen von Verkäufen zu leiden haben.

Folgende zwei Beispiele belegen das:
Swansea City AFC: Der walische Premier-League-Club war lange ein Vorbild für Fußball-Romantiker. Auch er war von Investoren ruiniert worden und in Liga vier abgestürzt. Da übernahmen örtliche Geschäftsleute und ein Holländer den Club für 25.000 Pfund. Eine rührende Geschichte, denn der Holländer hatte als 13-Jähriger einen Brieffreund gesucht, um besser Englisch zu lernen, und einen Waliser aus Swansea gefunden. Beide waren nun Club-Miteigentümer, sanierten ihn mit klugem Management und brachten ihn in die Erste Liga. Doch 2016 wurden einige schwach und vervielhundertfachten ihre Investition – heute kämpft Swansea gegen den Abstieg, weil der neue Eigentümer die besten Spieler verkauft hat.
Manchester United: ManU ist der umsatzstärkste Fußballverein der Welt und ein Glamour-Standort. Aber ein absurdes Beispiel für Habgier. 2003 kaufte der Amerikaner Malcolm Glazer für fast 800 Millionen Pfund die Mehrheit – finanziert mit Krediten. Die schrieb er anschließend einfach auf den Verein über, der daraufhin bis zu 100 Millionen Pfund pro Jahr für Zinsen und Tilgung aufbringen musste. Der Club hat sich quasi selbst bezahlt, er wurde über Nacht vom weltweit solventesten zum höchstverschuldeten. Und Glazer sehr viel reicher.

Es spielt also letztlich keine Rolle, wie seriös ein Investor ist. Er kann in Geldnot kommen, sterben oder einfach gierig werden. Und dann ist es allein seine Sache, an wen er verkauft. Dass dem deutschen Fußball dieses Szenario – zumindest vorerst – erspart bleibt, ist ein Sieg des Spiels über die Gier.

Aber der Entschluss ergibt auf lange Sicht auch ökonomisch Sinn: weil der Entfremdung der Fans zu den Clubs entgegengewirkt wird.

Nach dem DFL-Beschluss sollte allerdings niemand so naiv sein zu glauben, die Gefahr sei nunmehr dauerhaft gebannt. Denn vielleicht werden die Gegner der Regel nun erst recht versuchen, sie vor ordentlichen Gerichten zu Fall zu bringen. Schwachpunkte hat sie genug – etwa den ziemlich willkürlich wirkenden Passus, dass ein Investor die Mehrheit an einem Club übernehmen darf, wenn er ihn mindestens 20 Jahre lang erheblich gefördert hat. Darauf zielt auch die Aussage von Andreas Rettig, dem St.-Pauli-Geschäftsführer, dass die DFL nun versuchen müsse, die 50+1-Regel dauerhaft rechtssicher zu machen.

Für alle, die sich eine gegenteilige Entscheidung der DFL gewünscht hätten, sei zum Schluss Folgendes festgestellt – so banal es letztlich auch ist: Wenn 18 Multimilliardäre 18 Bundesligavereine kaufen, die 18 besten Trainer und die 500 besten Spieler der Welt verpflichten, die in den 18 schönsten Stadien auflaufen – auch dann wird es nur einen Meister geben. Und mindestens zwei Absteiger.

Es gibt ja viele Argumente mit überschaubarer Überzeugungskraft, wenn es um die „50+1-Debatte“ im deutschen Fußball geht. Also um die Frage, ob Investoren die Mehrheit eines Clubs beziehungsweise der ausgeklagerten „Fußball AG“ übernehmen dürfen. „Wir finden, dass jeder Verein für sich entscheiden muss, wie er mit den Dingen umgeht“, sagt zum Beispiel Michael Preetz von Hertha BSC. Und auf den allerersten Blick klingt das ja auch richtig gut. Wer einen Investoren ins Boot holen will, der darf es – und wer das für falsch hält, der lässt es eben. Nach dieser Logik könnte man übrigens auch ein anderes riesiges Problem im Sport lösen: Doping. Man gibt es frei. Natürlich mit dem heuchlerischen Zusatz: Es muss ja niemand dopen! Jeder darf sauber bleiben. Er wird dann eben im 100-Meter-Lauf Siebter statt Dritter – bei den Kreis- statt bei den Weltmeisterschaften...

Die Diskussion um 50+1 ist schon arg heuchlerisch geworden in den vergangenen Wochen. Die Mehrheit der Bundesligisten, die lieber heute als morgen die Regel kippen wollen, übt sich in verschwurbelten Formulierungen. Die einen wollen ja nur „offen diskutieren“, die anderen wünschen sich „Übergangsregeln“ und wollen „Härten abfedern“. Dabei handelt es sich um rein taktische Argumente. In der Sache sind die meisten Vereine längst entschieden, und ihre PR-Experten inszenieren öffentliche Scheindebatten, um die zunehmend kritisch eingestellte Fußball-Öffentlichkeit zu besänftigen.

Dabei geht es im Kern um nur eine Frage: Verkauft der Fußball seine Seele – Nachdem die Großmutter und die Unschuld längst verhökert sind?

Was Investoren im Fußball bewirken, ist ja nun wirklich hinlänglich bekannt. Und im nicht weit entfernten Mutterland des ungebremsten Kapitalismus zu beobachten. Betrachten wir also drei Beispiele aus England:
1. Portsmouth FC – 2009 wurde der Premier-League-Club von Sulaiman Al-Fahim gekauft. Der Saudi kam in finanzielle Schwierigkeiten und verkaufte an Ali al-Faraj, der den Club wiederum an den Chinesen Balram Chainrai veräußerte. Da war der Club längst pleite, hatte Steuerschulden und meldete Insolvenz an. Der Neustart begann in Liga 4, ein „Supporters Trust“ (also die Fans) übernahmen den Verein, der 2017 in die dritte Liga aufstieg. Aber nichts gelernt hat – kürzlich übernahm Ex-Disney-Boss Michael Eisner die Mehrheit.

2. Swansea City AFC – der walische Premier-League-Club war lange ein Vorbild für Fußball-Romantiker. Auch er war von Investoren ruiniert worden und in Liga 4 abgestürzt. Da übernahmen örtliche Geschäftsleute und ein Holländer den Club für 25.000 Pfund. Eine rührende Geschichte, den der Holländer hatte als 13-Jähriger einen Brieffreund gesucht, um besser Englisch zu lernen – und einen Waliser aus Swansea gefunden. Beide waren nun Club-Mitrigentümer, sanierten mit klugem Management den Verein un d brachten ihn in die 1. Liga. Doch 2016 wurden einige schwach und vervielhundertfachten ihre Investition – heute kämpft Swansea gegen den Abstieg, weil der neue Eigentümer die besten Spieler verkauft hat.

3. Manchester United – ManU ist der umsatzstärkste Fußballverein der Welt und ein Glamour-Standort. Aber ein absurdes Beispiel für Habgier. 2003 kaufte der Amerikaner Malcolm Glazer für fast 800 Millionen Pfund die Mehrheit – finanziert mit Krediten. Die schrieb er anschließend einfach auf den Verein über, der daraufhin bis zu 100 Millionen pro Jahr für Zinsen und Tilgung aufbringen musste. Der Club hat sich quasi selbst bezahlt, er wurde über Nacht vom weltweit reichsten zum höchstverschuldeten. Und Glazer wurde sehr viel reicher.

Es gibt ja viele Argumente mit überschaubarer Überzeugungskraft, wenn es um die „50+1-Debatte“ im deutschen Fußball geht. Also um die Frage, ob Investoren die Mehrheit eines Clubs beziehungsweise der ausgeklagerten „Fußball AG“ übernehmen dürfen. „Wir finden, dass jeder Verein für sich entscheiden muss, wie er mit den Dingen umgeht“, sagt zum Beispiel Michael Preetz von Hertha BSC. Und auf den allerersten Blick klingt das ja auch richtig gut. Wer einen Investoren ins Boot holen will, der darf es – und wer das für falsch hält, der lässt es eben. Nach dieser Logik könnte man übrigens auch ein anderes riesiges Problem im Sport lösen: Doping. Man gibt es frei. Natürlich mit dem heuchlerischen Zusatz: Es muss ja niemand dopen! Jeder darf sauber bleiben. Er wird dann eben im 100-Meter-Lauf Siebter statt Dritter – bei den Kreis- statt bei den Weltmeisterschaften...

Die Diskussion um 50+1 ist schon arg heuchlerisch geworden in den vergangenen Wochen. Die Mehrheit der Bundesligisten, die lieber heute als morgen die Regel kippen wollen, übt sich in verschwurbelten Formulierungen. Die einen wollen ja nur „offen diskutieren“, die anderen wünschen sich „Übergangsregeln“ und wollen „Härten abfedern“. Dabei handelt es sich um rein taktische Argumente. In der Sache sind die meisten Vereine längst entschieden, und ihre PR-Experten inszenieren öffentliche Scheindebatten, um die zunehmend kritisch eingestellte Fußball-Öffentlichkeit zu besänftigen.

Dabei geht es im Kern um nur eine Frage: Verkauft der Fußball seine Seele – Nachdem die Großmutter und die Unschuld längst verhökert sind?

Was Investoren im Fußball bewirken, ist ja nun wirklich hinlänglich bekannt. Und im nicht weit entfernten Mutterland des ungebremsten Kapitalismus zu beobachten. Betrachten wir also drei Beispiele aus England:
1. Portsmouth FC – 2009 wurde der Premier-League-Club von Sulaiman Al-Fahim gekauft. Der Saudi kam in finanzielle Schwierigkeiten und verkaufte an Ali al-Faraj, der den Club wiederum an den Chinesen Balram Chainrai veräußerte. Da war der Club längst pleite, hatte Steuerschulden und meldete Insolvenz an. Der Neustart begann in Liga 4, ein „Supporters Trust“ (also die Fans) übernahmen den Verein, der 2017 in die dritte Liga aufstieg. Aber nichts gelernt hat – kürzlich übernahm Ex-Disney-Boss Michael Eisner die Mehrheit.

2. Swansea City AFC – der walische Premier-League-Club war lange ein Vorbild für Fußball-Romantiker. Auch er war von Investoren ruiniert worden und in Liga 4 abgestürzt. Da übernahmen örtliche Geschäftsleute und ein Holländer den Club für 25.000 Pfund. Eine rührende Geschichte, den der Holländer hatte als 13-Jähriger einen Brieffreund gesucht, um besser Englisch zu lernen – und einen Waliser aus Swansea gefunden. Beide waren nun Club-Mitrigentümer, sanierten mit klugem Management den Verein un d brachten ihn in die 1. Liga. Doch 2016 wurden einige schwach und vervielhundertfachten ihre Investition – heute kämpft Swansea gegen den Abstieg, weil der neue Eigentümer die besten Spieler verkauft hat.

3. Manchester United – ManU ist der umsatzstärkste Fußballverein der Welt und ein Glamour-Standort. Aber ein absurdes Beispiel für Habgier. 2003 kaufte der Amerikaner Malcolm Glazer für fast 800 Millionen Pfund die Mehrheit – finanziert mit Krediten. Die schrieb er anschließend einfach auf den Verein über, der daraufhin bis zu 100 Millionen pro Jahr für Zinsen und Tilgung aufbringen musste. Der Club hat sich quasi selbst bezahlt, er wurde über Nacht vom weltweit reichsten zum höchstverschuldeten. Und Glazer wurde sehr viel reicher.

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