Meinung
Gastbeitrag

Övelgönne: (k)ein Strand für alle?

| Lesedauer: 4 Minuten
Walter Scheuerl
Walter Scheuerl

Walter Scheuerl

Foto: Andreas Laible / HA

Warum ein Radweg an der Elbe richtig ist. Miteinander und Offenheit sind wichtiger als Verbote.

Hamburg hat einen neuen Sturm im Wasserglas, oder besser: Bierglas. Liest man die Medienberichte und verfolgt man die Diskussion im sozialen Netzwerk Twitter zum Hashtag #elberadweg, scheinen die Emotionen zu kochen. Die grüne Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank wird von ihrem Erzfeind Wieland Schinnenburg aus der FDP gelobt („Endlich ein guter Beitrag von ihr“), während die „taz“-Journalistin Katharina Schipkowski öffentlich ihre Auswanderung ankündigt.

Fast scheint es so, als seien die Anhänger der beiden Strandkneipen Ahoi und Strandperle am Övelgönner Strand wild entschlossen, ihren Sitzplatz im Sand nicht nur mit einem Bier in der Hand zu verteidigen. Dabei ist der Anlass denkbar schlicht. Ein Radweg von rund 900 Metern soll am Strand gebaut werden. Das Vorhaben ist ebenso alt wie naheliegend. Denn wer den 2002 eingeweihten Elberadweg vom Elbsandsteingebirge über Dresden und Magdeburg nach Hamburg und weiter nach Cuxhaven benutzt und in Övelgönne ankommt, muss absteigen und schieben. Auch die Pendler, die morgens mit dem Rad von Rissen oder Blankenese in die Innenstadt radeln, müssen absteigen und schieben. Nicht selten unter den strengen Augen bewaffneter Polizisten, die das Radverbot auf dem schmalen Fußweg zwischen den alten Lotsenhäusern und deren Gärten überwachen, „wegen der Beschwerdelage“, wie es auf Nachfrage heißt.

Was liegt also näher, als Övelgönne und seinen charmanten Fußweg zwischen den alten Lotsenhäusern und hübschen Gärten den Fußgängern zu überlassen und den Elberadweg unten am Strand anzulegen? Radwege auf Uferpromenaden und an Stränden gibt es überall auf der Welt. Ob an der Côte d’Azur oder in Los Angeles an den Stränden von Venice und Santa Monica. Überall erfreuen sich Menschen gemeinsam ihrer Freizeitaktivitäten auf solchen Radwegen. Toleranz und Mit­einander zählen und sind selbstverständlich.

Anders in Hamburg. Der Schulterschluss zwischen manchen CDU- und FDP-Politikern ausgerechnet mit der grünen Wissenschaftssenatorin Fegebank und der „taz“-Journalistin in der Ablehnung des Verbindungswegs am Strand hat wenig mit Parteipolitik zu tun. Im Gegenteil: Frau Fegebank nimmt es sogar in Kauf, sich mit ihrer Ablehnung des Projekts gegen ihre Parteifreunde und einen Kern des Parteiprogramms der Hamburger Grünen zu stellen, Hamburg zu einer Fahrradstadt zu machen. Mehr Ruhe und Sachlichkeit sind geboten. Die Fakten sprechen für das schnelle Schließen der Lücke im Elberadweg am Övelgönner Strand.

Die Anwohner in den alten Lotsenhäusern am schmalen Fußweg in Övelgönne müssten nicht mehr damit rechnen, beim Gang vor die Haustür von einem unachtsamen Rambo-Radler über den Haufen gefahren zu werden. Der Elberadweg würde für alle Hamburger aus dem Westen eine echte Alternative zu den täglichen Staus auf der Elbchaussee darstellen. Die Kosten wären überschaubar. Denn eine schmale Uferbefestigung aus Betonplatten gibt es schon heute auf dem größten Teil der Strecke am Strand. Sie müsste nur verbreitert werden. Die Sitzflächen im Sand vor den Strandkneipen würden bei dieser Streckenführung nicht spürbar beeinträchtigt.

Die angeblichen Konflikte zwischen Kneipenbesuchern und Radfahrern sind ohnehin eher eine Chimäre der politischen Rhetorik. Wer die Strecke kennt und wie der Verfasser täglich mit dem Rad in die Stadt fährt, weiß, dass sich Radfahrer und abendliche Strandkneipenbesucher auf dem breiten Strand nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich kaum in die Quere kommen werden. Im Gegenteil.

Nicht wenige, die abends mit dem Rad aus dem Büro in der City kommen und auf dem neuen Elberadweg an den Strandkneipen vorbeifahren, werden anhalten und die Gelegenheit für eine Pause nutzen, ein kühles Getränk in der Hand, den Blick zur abendlichen Sonne – und vielleicht den einen oder die andere Politikerin oder Journalistin treffen, die ihrerseits schnell merken werden: In einer offenen Weltstadt wie Hamburg zählen das Miteinander und die Offenheit für neue Ideen mehr als Verbote und Verkehrsschilder.

Walter Scheuerl ist Rechtsanwalt und parteilos. Im Sommer fährt er bevorzugt mit dem Rad in seine Kanzlei in der City

Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Meinung