Meinung
Leitartikel

Freie Rede für den Präses der Handelskammer!

| Lesedauer: 3 Minuten
Lars Haider

Die Versammlung des Ehrbaren Kaufmanns darf nicht zu einer Farce werden.

Es passiert sehr selten, dass Bürgermeister Olaf Scholz in Hamburg an einem offiziellen, wichtigen Termin teilnimmt und nichts zu sagen hat. Bei der Versammlung Eines Ehrbaren Kaufmanns am Ende des Jahres ist das so. Dann sitzt der Präses des Senats in der Handelskammer und hört zu, was der Präses der Interessenvertretung an seiner Politik, an der Politik insgesamt und an der Lage Hamburgs zu kritisieren hat. Das ist, allein wegen der Länge der Rede, nicht immer vergnügungssteuerpflichtig, aber gute Tradition in der Hansestadt. Und natürlich umso interessanter, je klarer und pointierter das Urteil des jeweiligen Handelskammer-Präses über die Politik des jeweiligen Senats ausfällt.

Die Rede bei der Versammlung Eines Ehrenbaren Kaufmanns ist zwar nicht automatisch Höhe-, auf jeden Fall aber Schlusspunkt des politisch-wirtschaftlichen Jahres. Und sie lebt davon, dass der oberste Repräsentant der Wirtschaft sagen darf und kann, was er denkt. Genau das scheint angesichts der Streitereien zwischen Handelskammer und ihren Kritikern aber nicht mehr gewährleistet zu sein. Im Gegenteil: Im laufenden Prozess benannte der Richter Passagen aus dem Vortrag des Handelskammer-Präses bei der vergangenen Versammlung, die dieser nicht hätte sagen dürfen. Was so eine Stellungnahme bedeutet, kann man sich leicht ausmalen: Sie ist das Ende der freien Rede für den Präses, er muss künftig immer mit Unterlassungserklärungen rechnen. Erst recht, wenn aus den Bedenken des Richters ein Urteil werden würde – und genau danach sieht es ja nach dem vorerst letzten Verhandlungstag aus.

Soll der Handelskammer-Präses jedes seiner Worte künftig vorher auf juristische Folgen prüfen lassen? Muss er allen Ernstes auf nahezu alle Äußerungen und Bewertungen zu politischen Themen in Hamburg verzichten, wenn sie nicht einen direkten Bezug zur Wirtschaft haben, wie es ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vorsieht? Das wäre absurd und die Handelskammer gut beraten, lieber die Tradition der Versammlung Eines Ehrbaren Kaufmanns in ihrer bisherigen Form aufzugeben, als sich darauf einzulassen.

Man stelle sich vor, der Präses würde Ende dieses Jahres rechtlich oder am besten gleich noch politisch korrekt – worum er sich ja in der Regel tatsächlich bemüht – um Themen, die die Wirtschaft beschäftigen, herumreden. Oder, genauso seltsam, immer eine Verbindung zur Wirtschaft kon­struieren. Was, bitte schön, sollte der große Auftritt in der Handelskammer dann noch? Wenn ein Vertreter der Hamburger Firmen dem Bürgermeister und seinem Senat nicht mehr öffentlich frei seine Meinung sagen kann – und danach sieht es angesichts der aktuellen Rechtsprechung aus –, dann sollte er es lieber gar nicht tun. Das schwächt sicherlich die Macht und den Einfluss der Handelskammer und damit ihrer (Zwangs-)Mitglieder, wäre aber die einzige konsequente Reaktion.

Die Handelskammer wird erst einmal vor Gericht weiterkämpfen. Sie hat auf ein Urteil im laufenden Verfahren bestanden, obwohl der Richter zu einer außergerichtlichen Einigung geraten hatte. Und sie dürfte in die nächste In­stanz gehen. Das ist verständlich, zumal im nächsten Jahr Kammerwahlen anstehen – und man deshalb alles versucht, um die Bedeutung der Kammer und ihres Präses aufrechtzuerhalten. Leicht dürfte es nach den vielen Prozessen so oder so nicht werden, einen Nachfolger für den ausscheidenden Fritz Horst Melsheimer zu finden.

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