Meinung
Leitartikel

Flüchtlingskrise: Im Sinne der Stadt

| Lesedauer: 3 Minuten
Oliver Schirg

Die Hamburger wollen sich bei der Lösung der Flüchtlingskrise mit eigenen Ideen einbringen

Die ZDF-Fernsehmoderatin Dunja Hayali hat am Wochenende bei der Auszeichnung mit der Goldenen Kamera einen klugen Satz gesagt. „Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut, und jeder muss seine Ängste äußern können, ohne in die Nazi-Ecke gestellt zu werden.“

Das Abendblatt hatte in der vergangenen Woche seine Leserinnen und Leser um Ideen gebeten, wie Hamburg die Flüchtlingskrise meistern könnte. Natürlich hatten wir auch Sorge davor, dass manche auf eine komplizierte Herausforderung unserer Gesellschaft mit womöglich allzu einfachen Antworten reagieren würden.

Doch die Sorge war unbegründet. Die in der Sonnabendausgabe veröffentlichten Auszüge aus den Briefen und Mails belegen Vielfalt und Pragmatismus der Lösungsansätze. Sicher, manche Idee ist schwierig oder gar nicht umzusetzen: beispielsweise die zwangsweise Unterbringung von Flüchtlingen in Eigenheimen, in denen weniger als drei Menschen leben. Die weitaus meisten Vorschläge aber verdienen eine vorurteilsfreie und ernsthafte Prüfung.

Zudem sei erwähnt, dass die Zahl ausländerfeindlicher Wortmeldungen gering blieb. Wer genau auf diese Stadt schaut, der sieht Tausende weltoffene Menschen, die tagtäglich Toleranz und große Hilfsbereitschaft zeigen. Der erkennt Menschen, die im besten republikanischen Sinne die größte Herausforderung, vor der Hamburg derzeit steht, zu ihrer eigenen Herausforderung gemacht haben.

Diese Selbstverständlichkeit, mit der jeden Tag an die Lösung von Pro­blemen herangegangen wird, geschieht oft im Verborgenen. Da sind die Wel­come-Dinner, bei denen Familien Flüchtlinge zum Abendessen einladen. Da sind die Freiwilligen, die einmal pro Woche in eine Flüchtlingsunterkunft gehen, um Kindern beim Erlernen der deutschen Sprache zu helfen. Und ja, dazu gehört auch die Möglichkeit, die eigenen Ideen öffentlich kundzutun. Menschen, die selbstständig denken und die bereit sind, sich in der Gesellschaft einzubringen, die tun so etwas.

Natürlich äußerten Leserinnen und Leser des Abendblatts auch die Sorge, dass Hamburg sich bei der Unterbringung und Integration der Flüchtlinge übernehmen könnte. So soll die neue Zentrale Erstaufnahmeeinrichtung im Stadtteil Rahlstedt mit mehr als sechsmonatiger Verspätung erst im Sommer fertig werden. In Lurup wiederum stehen nach wie vor 500 gut ausgestattete Wohncontainer leer, weil die Brandschutzfrage nicht geklärt ist. Auch hinter der Ankündigung von SPD-Fraktionschef Andreas Dressel, man verhandle mit Schleswig-Holstein über die Unterbringung „Hamburger Flüchtlinge“, stehen inzwischen Fragezeichen. Niemand in unserem Nachbarland weiß etwas davon.

Eine kritische Haltung gegenüber den politisch Handelnden darf nicht mit Fremdenfeindlichkeit verwechselt werden. Stattdessen sollte man die Bürger beim Wort und den eingeforderten Dialog ernst nehmen. Niemand hindert die Politik, die Bereitschaft der in Initiativen versammelten Bürger aufzugreifen, bei der Integration von Flüchtlingen zu helfen.

Und wenn die Antwort des Senats auf eine Anfrage von SPD und Grünen sogar ergab, dass bereits heute mehr als die Hälfte aller Flüchtlingsunterkünfte maximal 250 Plätze umfasst, zeigt das doch vor allem eines: Eine dezentrale Unterbringung in kleinen Unterkünften ist möglich.

Dunja Hayali hat am Sonnabend noch einen zweiten Satz gesagt: „Wenn Sie sich rassistisch äußern, dann sind Sie, verdammt noch mal, ein Rassist.” Genauso ist es. Deshalb werden wir bei unserer Flüchtlingsaktion Rassisten auch keine Plattform bieten.

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