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Dammtor-Denkmal: Beschämend spätes Umdenken

| Lesedauer: 2 Minuten
Matthias Gretzschel
Der Autor ist Kultur-Redakteur beim Abendblatt

Der Autor ist Kultur-Redakteur beim Abendblatt

Foto: Andreas Laible / HA

Das Deserteurdenkmal am Dammtor wurde eingeweiht

Man mag sich kaum vorstellen, was Ludwig Baumann empfunden hat, als er – der Hinrichtung durch die NS-Militärjustiz knapp entkommen – nach Kriegsende als Verräter geächtet wurde. Als dieser Mann, der sich durch seine Desertion der mörderischen Logik des nationalsozialistischen Vernichtungskriegs entzogen hatte und nach dem Krieg als vorbestraft galt, zugleich mit ansehen musste, wie die Richter, die Menschen wie ihn zum Tode verurteilt hatten, in der Bundesrepublik im Amt blieben und keine Schuld und keine Scham empfanden.

Als am Donnerstag am Dammtor endlich ein Denkmal für Deserteure wie Ludwig Baumann eingeweiht wurde, brachte Hamburgs Erster Bürgermeister die Jahrzehnte währenden Versäumnisse gegenüber diesen Menschen auf den Punkt. „Das Umdenken kam spät. Nicht zu spät, aber doch beschämend spät“, sagte Olaf Scholz. Doch ist das nur die halbe Wahrheit, denn für viele dieser Widerstandskämpfer kam die Geste der öffentlichen Anerkennung doch zu spät, denn die meisten von ihnen sind längst nicht mehr am Leben, sie haben nicht einmal ihre Rehabilitierung durch den Bundestag im Jahr 2002 mehr erlebt.

Und doch ist es gut, dass in Hamburg jetzt dieses eindrucksvolle Denkmal des Künstlers Volker Lang an jene Menschen erinnert, die die Moral über den Befehl stellten und sich dem angeordneten Morden mit dem Mut der Verzweiflung entzogen haben. Und gut ist auch, dass dieses Denkmal mit seiner eindringlichen Form-, Schrift- und Bildsprache gut sichtbar im öffentlichen Raum steht und das bisher ziemlich unbefriedigende Nebeneinander zweier gegensätzlicher Monumente inhaltlich und formal zusammenführt: Denn erst mit dem Deserteurdenkmal, das zwischen dem in seiner Ästhetik entlarvenden Nazi-Monument des Bildhauers Richard Kuöhl von 1936 und dem 1986 hinzugekommenen, freilich unvollendeten „Gegendenkmal“ des österreichischen Künstlers Alfred Hrdlicka platziert ist, findet der Gedenkort einen würdigen Abschluss. Mag es die Erinnerung an Menschen wie Ludwig Baumann wachhalten, geraden in Zeiten, in denen Krieg wieder mehr ist als eine weit zurückliegende historische Erfahrung.

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