Kirchen sind besondere Orte, egal wo sie stehen: in der Stadt, auf dem Dorf oder irgendwo in der Landschaft. Sie weisen über sich selbst hinaus und stehen dafür, dass die Fragen, Sorgen und das Glück in dieser Welt nie allumfassend sind. Der Himmel wird durch Kirchgebäude in Erinnerung gebracht, so wird Raum gegeben für Glauben, Hoffnung und eine Liebe, die auch die Mitmenschen, vertraute wie fremde, und sogar die Feinde mit einschließt.
Deshalb ist die Schließung einer Kirche der GAU kirchlichen Handelns und für eine Gemeinde das Schmerzlichste, das geschehen kann. Es ist das Ende von Hoffnung, sieht aus wie die Abwesenheit von Glauben und tut weh, weil man sich fragt: Gibt es denn niemanden mehr, der diesen Ort lieb hat und braucht? Kirchenschließungen dokumentieren den Zustand einer Gesellschaft, die nicht mehr um den Wert ihrer symbolischen Orte weiß. Der Glaube ist vielen fremd, und die finanzielle Beteiligung via Kirchensteuer bringt nur noch solidarisch auf, wer eine echte Beziehung zur Kirche hat.
So kommt es, dass evangelische und katholische Kirche über die Schließung von Kirchen nachdenken müssen und Statistiken, Hochrechnungen und demografischer Wandel zu den Eckpunkten der Planung werden. Aus Zahlen aber kann man Hoffnung nicht lesen, ebenso wenig Lösungsideen für die Zukunft kirchlichen Handelns.
Auch wenn es vielleicht naiv klingt: Ich möchte für den Erhalt der Kirchen plädieren. Ich will die Gleichung „Mitarbeiter oder Gebäude“ nicht glauben, denn ich weiß, dass kirchliche Präsenz beides braucht: Menschen und besondere Orte. Und dabei denke ich auch an die Menschen, die wir heute in der Kirche noch gar nicht im Blick haben: die dazukommen können, die Kirche für sich entdecken und die Lust haben, ihre Orte zu entwickeln und zu gestalten, im Stadtteil, im Dorf, in der City.
In mir gibt es eine Vision: Kirchen sind die Karawansereien am Lebensweg der Menschen, egal ob sie Kirchenmitglieder sind oder nicht. Die Kirchen können gastfreundliche, offene, einladende Orte sein, an denen Menschen ausruhen können, Erzählungen loswerden und von den großen Erzählungen der Menschheit hören. In Kirchen findet Liebe statt: Nächste werden geheilt und versorgt, Trauernden zugehört, Tränen abgewischt, Fremde werden heimatlich. Menschen ziehen weiter und nehmen doch Wesentliches mit, wie Pilger auf ihrem Weg. Andere finden ein Bett für die Nacht, etwas zu essen und zu trinken, eine Nische, in der sie unbedrängt alleine sein dürfen und beten, schweigen, singen, heulen.
Solche Kirchen braucht unsere stürmische Gesellschaft! Kirchen sind dafür da, die gute Nachricht Jesu weiterzureichen und für die Nächstenliebe da zu sein. Dafür können wir nicht genug Orte haben, und es braucht viele Ideen, diese Orte finanzieren zu können. Sind die Orte erfüllt von gutem Geist, strahlen sie Hoffnung und Offenheit aus, dann, so bin ich sicher, werden sich Menschen finden, die mithelfen, diese Kirchen zu erhalten. Ist das Leben aber völlig raus, kein Geist mehr spürbar, und gibt es niemanden, der diese Kirche mehr lieb hat, kann es möglich sein, das Gebäude auch für andere Zwecke zu nutzen. Abriss wäre die schlechteste Lösung.
In Mecklenburg und Vorpommern sind die Kirchen oft die letzte Institution, die geblieben ist und ein Zeichen dafür ist, dass man noch nicht vergessen worden ist. Deshalb setzen sich die Menschen so sehr für ihre Dorfkirche ein und entwickeln Ideen und eine neue Kultur der Öffnung von Kirchen. Touristen stehen so viele besondere Orte zur Verfügung. Und in der Stadt?
Kirchliches Handeln braucht gute Atmosphäre, starke und gastliche Orte. Wir sind alle aufgefordert, Ideen zu entwickeln, wie diese Gebäude geöffnet werden können und einladend sind. Dann werden die Menschen kommen. Kirchen müssen das Image des Vereinsheims loswerden. Aber Gebäude loszuwerden, weil sie nur noch Last sind, kann Ausdruck nicht nur finanzieller Not, sondern einer geistlichen Armut sein. Deshalb entwickeln wir Ideen für unsere Kirchen und Gemeindehäuser, statt sie zu schließen. In Kirchen kann man über sich selbst hinausdenken. Der Mehrwert der Kirchen sollte unser Handeln leiten und der Gesellschaft bewusst werden. Sonst werden wir wirklich arm.
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