Meinung
Frankenfelds Welt

Der erste Klima-Krieg der Neuzeit

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Thomas Frankenfeld

Die Ursachen des verheerenden Bürgerkrieges in Syrien, der seit fast vier Jahren tobt und dem bislang mehr als 200.000 Menschen zum Opfer gefallen sind, scheinen klar zu sein: Die Wut des seit mehr als 40 Jahren von der Despotenfamilie Assad unterdrückten Volkes manifestierte sich im Zuge des Arabischen Frühlings in Protestdemonstrationen, die vom Militär grausam niedergeschlagen wurden. Zusätzlich angefacht wurde der Konflikt dann von islamistischen Milizen. All dies ist unstrittig – und doch fehlt ein wesentliches Element in dieser Analyse.

Eine der Hauptursachen des syrischen Kriegselends ist – das Klima. Das klingt zunächst überraschend, und doch erwarten Experten in der Zukunft noch weitere Kriege in der Region aufgrund von klimatischen Veränderungen. Der syrische Bürgerkrieg gilt in der Forschung mittlerweile sogar als erster bewaffneter Konflikt der neueren Geschichte, der eindeutig auch von Klimaveränderungen ausgelöst worden ist. Der US-Wissenschaftler Richard Seager, Co-Autor eines entsprechenden Reports der Columbia-Universität, sagte dem Londoner „Independent“, der Klimawandel habe dazu beigetragen, „die Dinge über die Schwelle zum offenen Konflikt“ zu stoßen: „Das ist beängstigend – aber erst der Anfang. Das wird sich im Laufe dieses Jahrhunderts im Zuge der Austrocknung des östlichen Mittelmeerraumes fortsetzen.“ Besonders gefährdet seien der Libanon und Jordanien, aber auch der Irak und Afghanistan. Israel ist die Ausnahme, weil es über ein ausgeklügeltes Wassermanagement verfügt und wohlhabend ist, so dass es Nahrung in großem Umfang importieren kann.

Der ganze Nahe und Mittlere Osten wird seit den 80er-Jahren immer trockener. Diese Entwicklung wird offenbar durch den von Menschen verursachten Treibhauseffekt verschärft. Die US-Klimabehörde wies nach, dass die zwölf trockensten Winter in dieser Weltregion seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in dem Zeitraum zwischen 1990 und 2010 lagen. Vor allem in den Jahren 2006 bis 2010 herrschte in Syrien eine katastrophale Dürre; die schlimmste seit Menschengedenken. Die für Syrien überlebensnotwendigen Ernteerträge gingen dramatisch um mehr als ein Drittel zurück, während die Bevölkerung in den Städten weiter stark anwuchs. Zählte Syrien in den 50er-Jahren noch vier Millionen Einwohner, so sind es inzwischen 23 Millionen. Als Folge der krassen Not auf dem Land verloren bis zu 1,5 Millionen Bauern und Viehzüchter ihre Existenz. Im Gouvernement al-Hasakah im Nordosten sollen nach Ermittlung des internationalen Katastrophenberichtes GAR rund 75 Prozent der Farmer totale Ernteausfälle erlitten haben; die Viehzüchter im Nordosten verloren rund 85 Prozent ihres Viehbestandes.

Hunderttausende von ihnen zogen in die Städte im Süden des Landes, wo sie mit ihrer Not und Wut die sozialen Konflikte und gesellschaftlichen Spannungen weiter anheizten. Hier entstand die Keimzelle des akuten Aufstands gegen das Assad-Regime.

Die Farmer-Stadt Daraa an der jordanischen Grenze gilt als ein Ursprungsort des syrischen Aufstands. Auch Daraa war von der Dürre sehr hart getroffen worden. Die desolate Lage in der Land- und Viehwirtschaft war auch dadurch entstanden, dass das Assad-Regime den Anbau von wasserintensiven Exportwaren wie Baumwolle und Weizen gefördert hatte und dass vielerorts illegale Brunnenbohrungen den Grundwasserspiegel absinken ließen. Gab es 1999 in Syrien noch 135.000 Brunnen, so waren es 2007 bereits 213.000 – mit verheerenden Folgen für den Boden. Ursprünglich reiches Ackerland verwandelte sich in Staubwüsten; den verzweifelten Menschen blieb nur die Wahl zwischen Fortziehen oder Verhungern. Wie das Wissenschaftsmagazin „Spektrum“ berichtete, prognostiziert das Internationale Forschungsinstitut für Agrar- und Ernährungspolitik (IFPRI) einen weiteren Rückgang der Ernteerträge bis 2050 um bis zu 60 Prozent. Dringend notwendig wären ein besseres Wassermanagement und moderne Bewässerungstechnik. Doch das ist in Syrien auf unabsehbare Zeit eine reine Utopie.

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