Das griechische Drama ist ein Schurkenstück. Am Ende bezahlen es vor allem die kleinen Leute

Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras und sein Finanzminister Giannis Varoufakis erinnern ein bisschen an das Gangsterpärchen Bonnie und Clyde. Das Duo war geprägt von der Wirtschaftskrise und wurde rasch romantisiert – so auch die beiden Griechen, die Linkspolitiker und Journalisten europaweit für ihre Rebellenattitüde lieben. Tsipras und Varoufakis ziehen natürlich nicht bewaffnet durch das Land, aber in zwei Punkten erinnern sie an Bonnie und Clyde: Regeln sind für sie zum Brechen da, sie gefallen sich in ihrem Kampf gegen den „Rest der Welt“. Und ernten damit Sympathie. Europas Linke liegt ihnen schon zu Füßen: „Die Griechen haben Frau Merkel abgewählt“, erklärte jüngst der deutsche Linken-Abgeordnete Fabio De Masi. Eine bizarre Weltsicht.

Es ist schick, den Revoluzzern zumindest ein bisschen beizuspringen: Sie sind sympathisch, jung, rebellisch – und tragen niemals Krawatte. Da sehen einige die Dinge schnell im anderen Licht. Franz Josef Wagner schreibt in der „Bild“: „Wir müssen Griechenland retten. Wenn wir Griechenland retten, retten wir uns. Was sind Milliarden gegen Homer, Aristoteles, Sokrates?“ Nun, dann könnten wir ja auch Russland mit Milliarden helfen – was ist Putin gegen Puschkin, Tolstoi, Dostojewski? Tagesschau.de kritisiert Schäuble als „Zuchtmeister“. Andere stützen Varoufakis, der argumentiert, die Troika-Hilfen hätten nicht das griechische Volk, sondern nur den europäischen Finanzsektor gerettet: „Grund genug, um die Selbstgerechtigkeit deutscher Wutbürger infrage zu stellen“, so Spiegel.de. Das ist ein Teil der Wahrheit, aber eben nur ein Teil. Wer hat denn die Schulden einst aufgenommen? Hätte man die Banken ernsthaft pleitegehen lassen sollen? Und: Wenn ein Häuslebauer seinen Kredit nicht mehr bedienen kann und ein Freund einspringt, rettet der dann auch die Bank?

Bei allem Verständnis für die Verzweiflung in Griechenland, bei aller Sorge um die Ärmsten als Opfer der Krise, bei aller berechtigten Kritik an der Troika – das griechische Drama verwandelt sich langsam in ein Schurkenstück. Tsipras und Varoufakis erpressen die Partner und drehen erst im letzten Moment bei. Mit russischen oder chinesischen Geldgebern zu liebäugeln ist nicht nur unverschämt, es ist auch dumm. „Wer immer wieder Regeln bricht, verliert jede Glaubwürdigkeit, dass er sich das nächste Mal an seine Versprechungen hält. Das verlorene Vertrauen ist der Kern der griechischen Tragödie“, schreibt der Ökonom Thomas Straubhaar. Vertrauen aber kann man eben nicht wie Geld drucken – wer es verschwendet, steht blank da. Der Grexit, der Ausstieg der Griechen aus der Wirtschaftszone, bleibt möglich.

Damit dürfte die Frage spannend werden, wer am Ende das Drama bezahlt. Wie teuer ein Grexit für Deutschland wäre, lässt sich nur schätzen – der Bund der Steuerzahler befürchtet 70 Milliarden, es könnten aber auch ein paar Milliarden weniger oder mehr werden. Das Risiko landet am Ende beim Steuerzahler, denn die privaten Gläubiger sind dank der EU-Rettungspolitik ja längst ausgestiegen.

Auch wenn es seit Freitag nach Rettung in letzter Minute aussieht, die Euro-Krise kostet die Deutschen längst Geld. Als Sparer oder Inhaber von Renten- oder Lebensversicherungen werden sie zur Kasse gebeten. Die Ökonomen Prof. Dr. Gerhard Rösl und Dr. Karl-Heinz Tödter haben berechnet, dass die Niedrigzinspolitik der EZB zu geschätzten Zinsverlusten für die deutschen Sparer in einer Größenordnung von 70 Milliarden Euro pro Jahr führt. Das Sparen fürs Alter, politisch über Jahre propagiert, endet in einer massiven Enttäuschung. Der Garantiezins der Lebensversicherer liegt heute nur noch bei 1,25 Prozent. Zudem haben die Versicherungen massive Probleme, die alten Garantiezinsen von vier Prozent zu erwirtschaften, die bis 2000 selbstverständlich waren. Der überwältigende Teil ihrer Anlagen ist in festverzinslichen Wertpapieren angelegt. Woher sollen da die Renditen kommen? Von der Aktienhausse bekommen Deutschlands Sparer nichts oder kaum etwas mit. Während die kleinen Leute sukzessive Geld verlieren, erfreuen sich die vermögenden Aktionäre üppiger Ausschüttungen und hoher Kursgewinne. Diese Marktungleichgewichte sind kein Zufall, sondern Folge der Rettungspolitik. Bald könnte es noch teurer werden.

Warum ausgerechnet die deutsche Linke über Tsipras und Varoufakis jubiliert, verwundert. Sie beklatschen damit auch eine Umverteilung zulasten der Kleinsparer von Arm nach Reich.