Es ist nie zu spät. Trotz der peinlichen Niederlage gegen Bayern gab es nicht den kleinsten Seitenhieb aus dem HSV-Aufsichtsrat

Wer in der Bundesliga 0:8 verliert, der muss sich um Häme und Spott keinerlei Sorgen machen, davon gibt es mindestens eine Woche lang reichlich. Der HSV kann in diesen schweren Tagen ein Lied davon singen. Und die HSV-Fans natürlich auch. Nicht nur jene, die in Hamburg beheimatet sind, sondern die in ganz Deutschland die roten Hosen tragen. HSV-Anhänger im Süden, Westen und im Osten der Republik lernen zurzeit, sich ein noch dickeres Fell als ohnehin schon zuzulegen, denn bissige, scharfe, höhnische, zynische und sarkastische Bemerkungen prasseln von allen Seiten auf sie ein. Da heißt es jetzt, ganz tapfer zu sein. Auch wenn das alles nicht so leicht ist.

Dass der HSV in Zukunft mit „After eight“ auf der Brust herumlaufen wird, ist dabei noch die lächerlichste Nummer, die den leidgeprüften Fans um die Ohren saust. Aber wer weiß schon, wie sich die Szene demnächst noch entwickeln wird? Am Sonntag geht es im Volkspark gegen Europa-League-Teilnehmer Borussia Mönchengladbach um Bundesliga-Punkte, und dieses Spiel wird in etwa so schwer wie das zuletzt gegen die Bayern.

Über die Gründe, die zu diesem Debakel in München geführt haben, ist nun eine Woche lang ausführlich von allen berichtet worden. Nun gilt es, die Lehren aus dieser herben Pleite zu ziehen. Und vielleicht auch, etwas Positives zu finden. Das müsste nun in erster Linie auf der Tagesordnung stehen, denn sonst wird es auch übermorgen herbe enden.

Positives? Ja, das wird es trotz allem geben. Wie schön ist es zum Beispiel zu sehen, dass sich die vielen HSV-Fans in Deutschland um ihren Club sorgen. Wie sie versuchen, den Untergang zu erklären, wie sie dem HSV aufbauend und unterstützend zur Seite stehen – und die Hoffnung auf Besserung noch immer nicht verloren haben. Viele machen sich jetzt „nicht vom Acker“, wie noch im Sommer geschehen, nur weil es noch immer nicht nach ihrer Fasson läuft, sondern zeigen jetzt Flagge.

Natürlich spielt diese Mannschaft immer noch keinen Erstliga-Fußball, natürlich schießt der HSV nach wie vor kaum ein Tor, und trotz aller Versuche ist aus dieser Truppe immer noch keine Mannschaft geworden, die Berge versetzen will.

Das ist aber schon seit geraumer Zeit so. Und (fast) alle wussten, dass sich das nicht innerhalb von Wochen und durch einfaches Handauflegen ändern würde. Es ist nur das eingetreten, was zu befürchten war. Auch wenn alle ein schnelleres Durchstarten des HSV erhofft hatten.

Die immer noch unfassbare Abfuhr von München aber hat auch bewiesen, dass diese neue HSV-Führung treu und fest zusammenhält. Es fiel niemand über den Nebenmann her, es gab kein böses Wort gegen einen der vielen Versager, es wurde niemand angeprangert, diesen oder jenen Fehler (und davon gab es etliche!) begangen zu haben, es gab auch nicht den kleinsten, verstecktesten und anonymen Seitenhieb aus dem Aufsichtsrat. Das ist eine neue Art von Qualität, die den HSV in den vergangenen Jahren nicht unbedingt begleitet und sogar ausgezeichnet hatte. Und wenn dazu ein Kapitän wie Rafael van der Vaart selbstkritisch bekennt, dass er im Moment schlecht spiele, dann ist das auch schon mal ein Schritt in die richtige Richtung.

Mir würde es jetzt enorm gefallen, wenn sich nun auch endlich die Spieler für ein schlagkräftiges Miteinander entschließen könnten, es ist dafür ja eigentlich nie zu spät. Und wenn dann bei einer der vielen Videoanalysen, die die eigenen Fehler offenbaren sollen, vielleicht mal Spiele der Konkurrenten aus Freiburg, Bremen, Köln und zum Beispiel Paderborn vorgeführt würden, um zu zeigen, wie sich diese Teams 90 Minuten auf dem Rasen wehren, kämpfen und Gas geben, um es dann nachzumachen – dann wäre mir auch schon wieder ein wenig wohler.

Wenn dazu dann auch nicht mehr der kleinste Hauch von Selbstüberschätzung oder Größenwahn an den Tag gelegt werden würde, dann könnte es auch am Sonntag schon wieder besser werden. Ein kleines Pünktchen für den HSV wäre in dieser prekären Lage schon fast wie ein Sieg.

Die HSV-Kolumne „Matz ab“ finden Sie täglich im Internet unter hsv-blog.abendblatt.de