Der Kölner Stefan Heße wird Hamburgs neuer Erzbischof – kein leichtes Amt

Wenn jemand geht, gibt es zum Abschied stets nette Worte. Doch Trauer und Wehmut sind oft ein besseres Maß für die Bewertung des Geleisteten. Wer sich dieser Tage in Köln umhört, spürt ein tiefes Bedauern. Die Kölner lassen ihren Generalvikar Stefan Heße äußerst ungern ziehen. Bald ist er ein Hamburger – am 14. März soll er im Mariendom zum Bischof geweiht werden. Dann steht er an der Spitze des flächenmäßig größten Bistums, das aber klassische Diaspora ist. Die Katholiken sind mit knapp 400.000 Gläubigen im Norden eine kleine Minderheit, nur jeder 15. ist römisch-katholisch. Für den gebürtigen Kölner kann das ein Kulturschock werden – er kommt aus einem traditionsreichen Bistum mit einer bis in die Gegenwart reichenden Verwurzelung im Katholizismus, er kommt in ein junges Bistum im Norden, wo die Kirche nur noch eine Stimme unter vielen ist.

Heße wird ein Zuwanderer sein, so wie die meisten Katholiken im Bistum. In den Kirchen treffen Westfalen auf Afrikaner, in den katholischen Schulen Süddeutsche auf Spanier – viele Gemeinden und Einrichtungen sind so bunt, wie es die Politik gern in ihren Sonntagsreden als Ideal beschwört. Seltsamerweise ist von der Kirche da nur selten die Rede. In Hamburg regiert oft eine selektive Wahrnehmung. Man weiß um die Eskapaden des ehemaligen Limburger Bischofs Tebartzvan Elst, man weiß von den unsäglichen Missbrauchsskandalen, man schüttelt den Kopf über kirchliche Strukturen. Das, was Kirche leistet, übersieht man hingegen gern.

Gegen diesen schrägen Eindruck haben die Hamburger Bischöfe stets tapfer gekämpft, oft auf verlorenem Posten. Seitdem aber der Reformer Franziskus Papst ist, bewegt sich etwas in Kirche und Gesellschaft. Alte Vorurteile werden erschüttert, Zerrbilder geradegerückt, Ressentiments überwunden. Für ein neues Erscheinungsbild der katholischen Kirche in der Medienstadt Hamburg könnte Heße genau der Richtige sein: Er wird der jüngste Bischof des Landes sein, er gilt als offen und mediengewandt. Zugleich geht der Bäckersohn seine neue Aufgabe demütig an: Die Ernennung habe ihn überrascht und „innerlich sehr aufgewühlt“, sagt er. Hamburg kenne er nur aus dem Urlaub. Das muss kein Nachteil sein, wenn er mit offenen Ohren und offenem Herzen in die Gespräche mit den Gläubigen geht.

In Hamburgs Gemeinden herrscht allem Aufbruchsgeist zum Trotz, den der Papst auslöst, viel Unsicherheit, Unruhe und Verzagtheit. Die Kirche befindet sich wie überall auf dem Rückzug – seit 1995 wurden im Erzbistum 36 Kirchen geschlossen. Der Mangel an Geistlichen schlägt überall durch. Sogenannte pastorale Räume sollen den Pfarrer vor Ort ersetzen. So wünschenswert die stärkere Beteiligung von Laien in der Kirche ist, einen hauptamtlichen Seelsorger vermögen sie nicht zu ersetzen. Gemeinden vor Ort leben nicht nur von vielen engagierten Ehrenamtlichen, sondern eben auch von überzeugten und überzeugenden Geistlichen. Lebendige Gemeinden, das wird Heße auf seinen Reisen durchs Bistum feststellen, brauchen eine Basis wie einen Kopf.

Das Nachwuchsproblem der katholischen Kirche kann Heße nicht lösen – aber er wird Impulse geben können, Kirche wieder lebendiger und lebensnaher zu machen, dem Glauben und der Ökumene eine lautere Stimme zu verleihen. Hamburg, wo Christen nur noch eine Minderheit stellen, ist Zukunftsland und Experimentierfeld für die Kirche in einer Republik, in der das Christentum schwindet. Der Papst traut Heße dieses schwierige Bistum zu – ein enormer Vertrauensvorschuss. Wer es hier schafft, kann es überall schaffen. Für Hamburg und seinen jungen Bischof sind das vielversprechende Perspektiven.