Gerichtlicher Stopp der Asylunterkunft Sophienterrasse hinterlässt üblen Beigeschmack

Das Projekt hatte von Beginn an Symbolcharakter. Die geplante Flüchtlingsunterkunft an der Sophienterrasse, in einem der schönsten (und teuersten) Wohngebiete der Stadt, sollte immer auch ein Signal aussenden: Seht her, wir schicken Asylbewerber nicht nur nach Billstedt, Harburg oder Osdorf, sondern eben auch nach Harvestehude. Es geht gerecht zu, wollte der Senat damit zum Ausdruck bringen. Und nahm dabei in Kauf, dass die geplanten 220 Plätze an der Alster die teuersten der Stadt sind. Oder besser: geworden wären. Denn seit Freitagmorgen ist der Bau, zumindest vorerst, gestoppt – per Gerichtsbeschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg. Es ist ein Beschluss mit üblem Beigeschmack.

Die Begründung des Gerichts bezieht sich auf den in Harvestehude geltenden Bebauungsplan, der das Areal als „besonders geschütztes Wohngebiet“ sieht. Die Anwohner sollen also geschützt werden. Aber wovor? In erster Linie meint der Gesetzgeber damit Gewerbebetriebe. In einem Wohngebiet darf es natürlich keine Fabriken geben, keine lärmende Spedition und auch kein Kaufhaus.

Hier stellt sich aber eher die Frage: Vor wem sollen die Bürger geschützt werden? Offensichtlich vor Menschen – zumindest vor einigen.

In der Urteilsbegründung wird ausgeführt, dass die Unterbringung der 220 Flüchtlinge „keinen Wohncharakter“ habe. Das machen die Richter unter anderem an Gemeinschaftsküchen und Mehrbettzimmern aus, zudem würden die Bewohner ja nicht freiwillig dorthin kommen, sondern von der Stadt einquartiert. Daher handele es sich um eine soziale Einrichtung. Die sei zwar grundsätzlich zulässig, in diesem Fall aber viel zu groß.

Wie groß aber darf sie sein? Auch dazu äußern sich die Richter. Sie schreiben, dass an der gleichen Stelle sozialer Wohnungsbau für etwa 200 Bewohner rechtens wäre – dass aber bei Flüchtlingen „ein erheblicher Abschlag“ vonnöten sei. Begründung: Man müsse davon ausgehen, dass von ihnen „Störungen“ ausgehen. Übersetzt heißt das: Ein geflüchteter Syrer, Serbe oder Russe stellt eine höhere Belastung für das „besonders geschützte“ Wohngebiet dar. Es gibt also Menschen erster und Menschen zweiter Klasse.

Ob diese Argumentation juristisch Bestand hat, wird das Oberverwaltungs- und vielleicht irgendwann das Bundesverwaltungsgericht zu entscheiden haben. Hanebüchen ist sie so oder so. Und es sind traurige Signale, die an diesem Freitag ausgesendet wurden. Da ist die bittere Erkenntnis, dass einige wohlhabende Bürger mit teuren Anwälten ihre egoistischen Interessen durchsetzen können, während so viele andere die Notwendigkeit der Hilfe für Flüchtlinge einsehen und sie willkommen heißen oder zumindest nicht juristisch bekämpfen. Noch anderen wiederum – in tatsächlich belasteten Stadtteilen – ist der Klageweg schon aus finanziellen Gründen oft verwehrt.

Endgültig vom Tisch ist die symbolträchtige Sammelunterkunft noch nicht. Wenn aber höhere Instanzen den Richterspruch bestätigen sollten, wird die Kostendebatte erneut geführt werden. Denn bei einer deutlich geringeren Bewohnerzahl würden die Plätze natürlich noch viel teurer werden, als sie es ohnehin schon sind.

Und so triumphieren die „Aber-Bürger“. Ja, Flüchtlingen sollte geholfen werden, aber doch nicht hier. Nein, man habe nichts gegen Ausländer, aber doch nicht so viele. Bei Kindern, Behinderten und Sterbenden wurde auch schon so argumentiert. Die Absurdität dieser Denkart hat niemand schöner auf den Punkt gebracht als der geniale Asterix-Schöpfer René Goscinny. Er ließ den Dorfältesten Methusalix sagen: „Ich habe nichts gegen Fremde. Manche meiner ältesten Freunde sind Fremde. Aber diese Fremden sind nicht von hier.“

Der Autor ist stellvertretender Leiter der Lokalredaktion