Medien dürfen sich von den Anschlägen nicht einschüchtern lassen – sonst siegt der Terror

Besucher des Verlagshauses an der Caffamacherreihe, in dem auch das Hamburger Abendblatt sitzt, wundern sich oft über die scharfen Sicherheitsvorkehrungen. Die Gäste müssen Mäntel und Sakkos ausziehen, Koffer, Taschen und elektronische Geräte werden wie an einem Flughafen durchleuchtet. Ins Gebäude selbst kommt in der Regel nur, wer angemeldet ist und/oder von jemandem abgeholt wird.

Es gab in den vergangenen Jahren nicht wenige Kolleginnen und Kollegen in den Redaktionen, die dieses Prozedere für übertrieben hielten und sich bei ihren Gästen für die Unannehmlichkeiten entschuldigten. Vor allem, weil die Sicherheitsregeln so gar nicht zu einer Branche passen, die von einer möglichst offenen und freien Kommunikation lebt. Trotzdem sind sie, wie wir in der vergangenen Woche bitter erfahren haben, nötig und die Hamburger Verlagshäuser gut beraten, ihre Schutzmaßnahmen zu überprüfen und gegebenenfalls der neuen Lage anzupassen. Der Brandanschlag auf die „Hamburger Morgenpost“ ist ein deutliches Warnsignal, ein weiterer Angriff auf die Meinungs- und Pressefreiheit.

Davon gibt es übrigens selbst in normalen Zeiten gar nicht so wenige, weil sich jede Menge Menschen und Organisationen über nichts mehr ärgern als über Journalisten, die, um den „Spiegel“-Gründer Rudolf Augstein zu zitieren, „sagen, was ist“. Das reicht vom Unternehmer, dem ein Nachrichtenmagazin Steuerhinterziehung nachweist, über den Politiker, der an einer enthüllten Spendenaffäre scheitert, bis hin zu einem Fußballtrainer, den die Kritik an seiner Arbeit ärgert. Schon hier, also im Kontakt mit Personen des öffentlichen Lebens, kann der Ton sehr rau sein, ist der Weg von der Beschwerde zur Drohung ein kurzer. Berufsrisiko.

Gefährlich wird es, wenn sich Journalisten mit extremistischen Gruppen beschäftigen oder gar anlegen: Dann kann es ihnen wie jener Chefreporterin einer norddeutschen Zeitung gehen, die permanent ihr Auto und ihren Wohnort wechseln muss, seit sie zu genau (und zu gut) über das Rockermilieu recherchiert hat und von dort üble Drohungen erhält. Oder wie einem Redakteur, der nach Berichten über eine bestimmte Glaubensgruppe andauernd böse Anrufe und Schreiben erhielt.

Das sind einige Momente, in denen man als Journalist merkt, dass zu diesem Beruf eben nicht nur Neugier, Ausdauer und Genauigkeit gehören, sondern auch Mut. Mut, das zu sagen, was ist, siehe oben, und das, was man für richtig hält. Auch und gerade, wenn auf der anderen Seite mächtige beziehungsweise gefährliche Organisationen stehen.

Wenn Journalisten sich einschüchtern lassen, durch wen oder was auch immer, ist das das Ende der Meinungs- und Pressefreiheit, wie wir sie kennen und wie wir sie schätzen sollten. Da kann man über Journalisten denken und sagen, was man will (und oft sind das ja leider nicht die nettesten Dinge) – immer dann, wenn sie in irgendeiner Form unter Druck gesetzt werden, sollten sich alle ihrer Rolle für die Gesellschaft bewusst werden: Wo es keine freie Presse gibt, gibt es auch keine funktionierende Demokratie.

Journalisten sind sich dieses Zusammenhangs genauso bewusst wie der Verantwortung, die sie damit tragen, manchmal mehr, manchmal weniger. Es ist ihnen zu wünschen, dass sie sich nicht an Polizei- oder anderen Schutz gewöhnen müssen, sondern dass ihre Arbeit das bleibt, was sie in westlichen Gesellschaften seit Jahrzehnten ist: eine Selbstverständlichkeit, bei der der Reporter immer und hart um seine Glaubwürdigkeit und sein Ansehen kämpfen, aber niemals um seine Unversehrtheit bangen muss.