Zwischen den Jahren berühren sich Vergangenheit und Zukunft. Auch bei Glückwünschen kommt es auf die richtige Schreibweise an

Noch ist es nicht zu spät, allen Verwandten, Bekannten, Freunden oder Kunden per Post ein glückliches Jahr 2015 zu wünschen. Dabei sollten Sie Ihre Wünsche allerdings auf das neue Jahr mit kleinem „n“ beziehen. Wir beginnen am Donnerstag kein „Neues“ Jahr, sondern ein neues Jahr, das auf das alte Jahr folgt. Das neue Jahr ist kein Eigenname, sondern bezeichnet ein beliebiges Jahr, von denen es Tausende in den Zeitläuften gibt. Das unterscheidet es vom Heiligen Abend, von dem – obwohl wir unzählige Abende erleben – nur ein einziger im Kalender auserwählt ist, das Attribut „heilig“ zu tragen: der 24. Dezember.

Der Heilige Abend ist also etwas Einmaliges und Besonderes und wird großgeschrieben, ein neues Jahr ist es nicht, bei dem deshalb nur ein Kleinbuchstabe benutzt werden darf. Großschreibung ist erforderlich, wenn der Begriff quasi ein Unikat darstellt. Denken Sie immer an die Gemeine Stubenfliege mit großem „G“, deren Exemplare im Sommer zwar zu Hunderten herumschwirren, von denen es zoologisch gesehen aber nur eine einzige bestimmte Art gibt. Anders ist es beim italienischen Salat oder beim westfälischen Schinken, der in jedem Kühlregal zu finden ist. Wenn wir jedoch vom Westfälischen Frieden sprechen, so meinen wir einen ganz bestimmten Friedensschluss und haben es hier mit einem Eigennamen zu tun. Er beendete übrigens einen Krieg, der 30 Jahre gedauert hatte, aber keine beliebigen 30 Jahre, sondern die bestimmten Jahre von 1618 bis 1648. Deshalb schreiben wir in diesem Fall nicht „dreißigjähriger“ Krieg, sondern groß Dreißigjähriger Krieg – Kriege gab es viele, diesen aber nur einmal.

Früher verfassten wir unsere Glückwünsche mit der Hand auf weißen Briefkarten im DIN-A6-Format und mussten richtig formulieren und buchstabieren. Heute kaufen wir uns im Supermarkt eine meist geschmacklos verzierte Glückwunschkarte, die es zu jedem noch so banalen Anlass gibt, in diesen Tagen natürlich vor allem zum Jahresanfang.

Ich zog eine aus dem Ständer und las die Aufschrift: „Alles gute für’s Neue Jahr“. Hier war aber auch alles falsch, was falsch sein konnte. Ich beschwerte mich beim Geschäftsführer. Er erklärte sich für nicht zuständig und deutete an, dass man in seiner Marktkette nur bedingt, aber in einer Druckerei ohne Schwierigkeit auch als Analphabet eine Anstellung erhalten könnte.

Das ist nicht gut, obwohl wir trotzdem alles Gute hoffen wollen. Klein schreibt man das Adjektiv gut, groß schreibt man die Substantivierungen des Adjektivs das Gute, Gutes und Böses, des Guten zu viel tun, sein Gutes haben, etwas im Guten sagen sowie nichts, viel, wenig Gutes – und eben alles Gute. Falls wir in der Lüneburger Heide einen guten Hirten sehen, so handelt es sich um irgendeinen beliebigen Schäfer, wenn wir aber vom Guten Hirten sprechen, so meinen wir einen Einzelnen und Bestimmten, nämlich Jesum Christum, der bekanntlich nicht nur sprachlich ein Unikat ist.

Nun zum „für’s“. Als ich den Geschäftsführer fragte, was dieser Deppenapostroph solle, hätte ich mir fast ein Hausverbot eingehandelt. Er wusste nicht, dass die Verschmelzung einer Präposition mit dem Artikel das stets ohne einen Apostroph geschrieben wird: fürs, ins, aufs, ans, ums, durchs usw.

Dies ist auch jetzt zwischen den Jahren nicht anders. Zwischen den Jahren? Diese Zeitangabe meint natürlich kein schwarzes Loch im Kalender oder so etwas Ähnliches wie eine Schaltsekunde zu Silvester, sondern bezeichnet die Tage zwischen Weihnachten und Neujahr. Die Herkunft dieser Redensart hat viele Deutungen erfahren, etwa als Spanne zwischen der Geburt Jesu am 25. Dezember als Beginn der christlichen Zeitrechnung und dem Anfang des Kalenderjahres am 1. Januar. Auf jeden Fall sind diese Tage und Nächte mit allerlei Aberglauben behaftet. Meine Schwiegermutter, die tief aus dem Mecklenburgischen stammte, hätte nach Weihnachten nie Wäsche gewaschen. Als bei uns dennoch die Waschmaschine lief, reiste sie fluchtartig ab. Doch selbst mich weht, da ich aus dem Fenster schaue und die kalte Wintersonne untergehen sehe, ein seltsamer Hauch an, als sei ich zwischen den Jahren gleichzeitig in Vergangenheit und Zukunft gefangen.

Der Verfasser, 73, ist „Wortschatz“-Autor und früherer Chef vom Dienst des Abendblatts. Seine Sprach-Kolumne erscheint dienstags