Die Spieler von 1960 sind bei jeder Partie und allen Versammlungen dabei, aber gut gepflegt werden sie von ihrem Club nicht mehr

Uwe Seeler ist in dieser Woche 78 Jahre alt geworden. Sagenhafte 78! Und wie agil ist dieser Mann immer noch! Fast so wie früher, als er energiegeladen am Rothenbaum immer den direkten Weg zum Tor nahm, als er 90 Minuten lang für zwei oder drei ackerte, als er der große Motivator, gelegentlich auch Kommentator und „Meckerbüdel“ für seine HSV-Mannschaft war. Uwe Seeler wirkt immer noch so kraftvoll wie im Jahre 1960, als er seinen HSV nicht nur zur deutschen Meisterschaft schoss, sondern mit seinen vielen Hechtkopfbällen und Fallrückziehern auch zu weltweitem Ruhm verhalf. „Uns Uwe“ ist einer der größten Fußballspieler in der Geschichte der Bundesrepublik, er wird noch heute überall gefeiert, hofiert, bestaunt, um seinen Schriftzug oder ein Foto gebeten.

Auch im Volkspark. Natürlich kennt dort ein jeder Uwe Seeler. Aber sonst? Von der Meistermannschaft von 1960 sind meistens fünf Akteure bei jedem HSV-Bundesliga-Heimspiel am Start. Neben Seeler Torwart Horst Schnoor, Verteidiger Erwin Piechowiak, Kapitän Jochen Meinke und Rechtsaußen Klaus Neisner. Nur Gert „Charly“ Dörfel sieht selten mal ein Spiel live. Um ein Autogramm aber gebeten werden die Helden von 1960 kaum noch. Sie kommen still, geben sich bescheiden – so gehen sie auch wieder. Zuletzt, bei der Begegnung mit Leverkusen, konnte ich beobachten, wie ein Meisterspieler von damals unerkannt im Strom der HSV-Fans mitschwamm. Keiner nahm Notiz von Klaus „Mickey“ Neisner – was mich schon bewegte. Wäre dort auf dem Arena-Umlauf ein Profi wie zum Beispiel Marcell Jansen, wie Valon Behrami oder wie Rene Adler gesichtet worden, wären bis zum Anpfiff, jede Wette, Autogramme geschrieben worden.

Es ist – bis auf die Ausnahme Uwe Seeler – still geworden um die Meisterspieler von damals. Was vielleicht auch ein wenig am HSV liegen könnte. Der große Willi Schulz sagt immer: „Wenn du beim FC Bayern von oben nach unten und wieder zurück gehst, dann triffst du nur Weltmeister ...“ Beim HSV ist das ein wenig anders, obwohl es auch ehemalige Profis gibt, die dort ihrer Arbeit nachgehen. So richtig gepflegt aber werden die Heroen von einst nicht. Ab und an, wenn der Club ein Jubiläum feiert, erinnert man zwar der Vereinsgeschichte, es gibt sogar Freikarten für die alten Meister, aber damit hört es dann auch schon auf.

Natürlich lebt der HSV im Heute, und das ist hart genug. In der Bundesliga boomt der Jugendwahn, auch in Hamburg sind sie bemüht, eine junge, hungrige Mannschaft auf den Rasen zu bringen. Der Trend geht zu jüngeren Spielern, keine Frage – richtig so. Dieser Artikel soll genau deshalb auch kein Aufruf an den Verein sein, nun verstärkt auf Uwe Seeler und Co. zu setzen. Das hier ist auch keine Beschwerde darüber, dass die Helden von 1960 kalt und herzlos ins Abseits gedribbelt wurden. Es soll nur Denkanstoß und Bitte zugleich sein, sich dieser verdienstvollen Spieler hin und wieder zu erinnern. Und sie eventuell hier und da einzuladen oder sie auch nur gelegentlich mal zu erwähnen.

Zurzeit läuft im HSV-Museum eine Sonderausstellung: „75 Jahre ‚Charly‘ Dörfel“. Großartig. So etwas könnte es aber auch von und mit den Kollegen geben. Diese Spieler haben, eine absolute Seltenheit, dem HSV stets die Treue gehalten, nehmen am Vereinsleben teil. Deswegen wäre es schön, wenn sie mit ein wenig mehr Aufmerksamkeit bedacht werden könnten, denn: Wir haben diese „Jungs“ doch nicht endlich. Und jene Fans, die sie noch live erlebten, tragen sie auch heute tief in ihren Fußball-Herzen, weil sie Besonderes für den HSV geleistet haben.

Und egal, wie das Volksparkstadion auch gerade heißt, wie wäre es mit einer Schnoor-Tribüne im Westen, mit einer Meinke-Kurve im Süden, mit einem Piechowiak-Aufgang im Norden? Nur diese Beispiele. Gerade jetzt, wo der HSV mit seinen Profifußballern zur AG geworden ist, wäre das sicher ein großartiges Zeichen, dass der Traditions-Club von der Rothenbaumchaussee seine Helden von einst doch (noch) nicht ganz vergessen hat.

Die HSV-Kolumne „Matz ab“ finden Sie täglich im Internet unter www.abendblatt.de/matz-ab