Für faule Kredite zahlt am Ende der Steuerzahler. Das Anti-Blockier-System der Europäischen Zentralbank funktioniert auf Dauer nicht.

Autofahrer wissen: ABS steht für Anti-Blockier-System. Es verhindert, dass bei hartem Bremsen die Bremsen blockieren und das Auto ausbricht. Am Finanzmarkt hingegen steht ABS für „Asset Backed Security“, zu Deutsch „forderungsbesichertes Wertpapier“. Das Grundprinzip ist einfach: Banken dürfen nicht unbegrenzt Kredite vergeben. Ihr Kreditvolumen hängt von der Höhe ihres Eigenkapitals ab. Noch laufende Altkredite beschränken daher die Fähigkeit, neue Kredite zu vergeben.

Das lässt sich aber umgehen. In den 1980er-Jahren hat sich daraus ein boomendes Geschäftsmodell entwickelt: Eigens dafür gegründete „Zweckgesellschaften“ kaufen den Banken Kredite – gute wie schlechte – ab. Die Kredite werden zusammengeworfen und zu einem Paket geschnürt, im großen Stil: 50.000 Kredite mit einem Volumen von mehreren Milliarden Euro sind nicht ungewöhnlich. Kapitalanleger – Banken, Versicherungen und andere – können Anteile kaufen. Diese nennt man ABS: an der Börse gehandelte Wertpapiere. Sie sind forderungsbesichert, weil das Wertpapier Kreditforderungen verkörpert. Die Zweckgesellschaft erhält Zinszahlungen von den Schuldnern und zahlt Zinsen an die ABS-Käufer.

Alle scheinen zu profitieren: Die Banken werden ihre Kredite los und können so neue vergeben. Die Anleger haben ein jederzeit verkaufbares Wertpapier, in dem sehr viele unterschiedliche Kredite gebündelt sind, sodass das Ausfallrisiko gestreut wird. Die Zweckgesellschaft kassiert nette Provisionen.

Das ist aber nur Theorie. Erstens kennen die Banken die finanzielle Lage ihrer Kunden sehr viel besser als ferne Zweckgesellschaften und die Rating-Agenturen, die ABS bewerten; und sie versuchen – natürlich –, vor allem ihre wackeligen Kredite abzustoßen. Die Zweckgesellschaften blickten oft nicht richtig durch, was sie da an Krediten bündelten. Und die Rating-Agenturen auch nicht. Zweitens waren die Käufer der ABS naiv genug, sich blind auf rosige ABS-Ratings zu verlassen. Fein heraus waren nur die verkaufenden Banken. Leidtragende waren die naiven Käufer, ganz vorne unsere Landesbanken.

ABS haben 2007 die Weltfinanzkrise ausgelöst: Banken in den USA hatten fortwährend zuhauf Kredite vergeben, gleich wieder verkauft, neue vergeben, verkauft, neue vergeben usw. Da sie die Kredite gleich wieder loswurden, hielten sie eine genaue Prüfung, ob die Kreditnehmer auch zahlungsfähig waren, für entbehrlich. So rutschten immer mehr faule Kredite in ABS. Zu allem Überfluss wurden auch noch mehrere ABS in einen Topf geworfen und zu neuen ABS gebündelt, die weltweit Käufer fanden. Dadurch blickte endgültig niemand mehr durch, wie solide die Kredite und damit die ABS waren. Als dann viele Kredite notleidend wurden, brach das System zusammen. Weltweit standen Kapitalanleger, darunter viele Banken in der EU, vor dem Bankrott. Die, welche – oft nur dank staatlicher Rettung – überlebt haben, sitzen bis heute auf ABS-Schrott, den ihnen niemand abkauft. ABS haben seitdem einen schlechten Ruf.

Soeben hat nun die Europäische Zentralbank (EZB) beschlossen, sie den EU-Banken abzukaufen. Außerdem hat sie die Banken aufgefordert, ihre alten Kredite zu neuen ABS zu bündeln, die sie ebenfalls kaufen will. Warum? Sie behauptet, die Banken säßen auf so vielen Altkrediten, dass sie keine neuen vergeben könnten. Ohne neue Kredite, so die EZB-Logik, keine Investitionen, damit kein Wachstum und damit kein Ende der Euro-Krise. ABS sollen diese angebliche Blockade auflösen, also als Anti-Blockier-System wirken – sozusagen ein ABS-ABS.

Die EZB sagt zwar, dass sie nur hochwertige ABS kaufen will. Das ist aber unglaubwürdig. Für eine wirkliche Entlastung der Banken muss die EZB nämlich ABS mit Ramsch-Status kaufen. Das weiß sie auch. Sie hat bereits angekündigt, „ausnahmsweise“ Schrott-ABS aus Griechenland und Zypern zu kaufen. Die EZB verkommt immer mehr zu einer „Bad Bank“.

Wenn auch nur ein Teil der gebündelten Kredite ausfällt – und das wird geschehen –, tragen die Mitgliedstaaten als Eigentümer der EZB die Verluste, also der Steuerzahler. Schlimmer noch: Die EZB fordert die Banken geradezu auf, fragwürdige neue Kredite zu vergeben. Gelöst werden die Probleme der Banken damit nicht. Im Gegenteil: Es droht der Weg in die nächste Krise.